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Sommerfalle

Sommerfalle

Titel: Sommerfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debra Chapoton
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sein Auto identifizieren«, die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Er klammerte sich sofort an diese winzig kleine neue Hoffnung. Dann gab er ihr die Nummer, die er schon auswendig kannte, und sagte, sie solle nach Officer Lorenz oder Officer Sylver fragen. Außerdem bat er sie, ihn hinterher gleich wieder anzurufen.

    Die Tagebuchaufsätze für den Englischunterricht hatten für Eddie fast schon einen therapeutischen Wert gehabt. Als er nach dem Gespräch mit dem Vertrauenslehrer nur noch belangloses Zeug für Mrs. Randazzos Unterricht schrieb, kaufte er sich einem inneren Drang folgend ein Notizbuch und begann, nur für sich seine ganz privaten Gedanken dort hineinzuschreiben. Er fing wie bei einer Autobiografie mit seinen frühesten Erinnerungen an. Es machte ihm Spaß, so noch einmal das Glück seiner Kleinkindzeit zu durchleben.
    Als er zum Tod seines Vaters kam, wechselte er unbewusst in die dritte Person und berichtete sehr sachlich von dem Vorfall. Er sah sich dabei nicht mehr als aktiv Handelnden in dieser Tragödie, sondern nur als Beobachter. Wie ein Zuschauer bei einem Sportereignis.
    Er wechselte wieder zurück in die erste Person, sobald Becky ins Spiel kam. Wie der siebzehnjährige Eddie über seine erste Liebe schrieb, konnte sich zweifellos mit jedem Liebesgedicht messen lassen.
    Seite für Seite füllte er mit seinen sich ins pure Glück erhebenden Phantasien, ausgehend von den wenigen tatsächlichen Begegnungen, die er mit seiner Becky erlebt hatte. Das Tagebuch wurde Zeugnis seiner vergeblichen Liebesoffenbarung. Eddie wusste, ja, er wusste es einfach, dass Rebecca nur eine einzige Seite davon lesen müsste, um zu begreifen, dass niemand sie je so lieben könnte wie er. Geduldig hatte er sein halbes Leben lang auf sie gewartet.
    Das erste Tagebuch hatte er vor seiner Mutter versteckt. Jetzt lag es auf dem Boden der Steinhütte im Wald, aus der Rebecca geflohen war. Ein zweites, das er erst vergangenen Monat begonnen hatte, befand sich in dem Holzhaus, wo Rebecca sich gerade versteckte. Edward wäre es lieber gewesen, sie hätte die beiden in der richtigen Reihenfolge gelesen, aber das zweite würde ihr die gleiche Hingabe offenbaren.

    Nach vierunddreißig Jahren Englischunterricht freute sich Carolyn Randazzo darauf, in diesem Juni ihre Arbeit an der Schule abzuschließen. Sie und ihr Mann Andy hatten nur noch ein paar Tage bis zur Pensionierung und dem Umzug nach Arizona.
    Während die beiden Hand in Hand durch die Mall schlenderten, überlegte sie laut, wie viele Schüler sie in ihrem Berufsleben wohl unterrichtet und wie viele Arbeiten sie insgesamt korrigiert haben mochte.
    »Wenn ich es mal überschlage und dabei berücksichtige, dass ich einige der Kinder mehrere Jahre lang in meinen Kursen hatte, muss ich Zigtausende von Seiten korrigiert haben. Wahnsinn. Statt meines Gehalts hätte ich mir einen Dollar pro Seite auszahlen lassen sollen!« Sie mussten beide lachen.
    Andy ließ die Hand seiner Frau los und deutete auf ein Paar, das ein Stück vor ihnen ging. »Sind das da nicht die Zimmermanns?«
    Carolyn Randazzo folgte den Augen ihres Mannes und erklärte ihm, er irre sich. Gleichzeitig bemerkte sie zwei Mädchen, die die Filiale von Lord & Taylor’s betraten. »Aber die kleine Blonde dort kenne ich«, meinte sie. »Sie ist in einem meiner Kurse. Das andere Mädchen allerdings nicht. Ich schätze, sie ist neu hier.«
    »Sieht aus, als hätten sie einen heimlichen Verehrer«, fügte Andy hinzu. »Schau dir den Burschen an, wie er den beiden nachschleicht. Er sieht aus wie ein Kater, der eine Maus belauert.«
    »Ach, du meine Güte, den kenne ich auch. Das ist Eddie. Eines der seltsamsten Kinder, die ich je unterrichtet habe. Er war dabei, als sein Vater gestorben ist. Ein schrecklicher Unfall.«
    »Wie grausam«, sagte ihr Mann. »Also, ich schätze, ich wäre auch seltsam geworden mit so einer Bürde auf meinem Gewissen. Sag mal, hast du Lust auf einen Kaffee?«
    »Gerne«, antwortete sie und sagte noch, aber mehr zu sich selbst: »Eddie … armer Eddie. Ein schüchterner Junge. Jetzt sieht er gar nicht mal hässlich aus, seit sich seine Haut gebessert hat.«

    Als er im Januar seines letzten Schuljahrs achtzehn Jahre alt wurde, erbte Eddie über eine halbe Million Dollar, die seit dem Tod seines Vaters zusammengekommen waren. Seine Mutter hatte nun keine Verfügungsgewalt mehr darüber. Eddie interessierte sich für Immobilien, und nachdem er in der Bibliothek ein wenig

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