Sommerfalle
zu heben und ihn in Richtung ihres Gesichts zu bewegen. Sie berührte ihre Lippen und spürte, dass sie sich bewegten. Endlich wurde sie richtig wach, hörte in der Ferne Stimmen. »Helft mir«, stöhnte sie. Sie kämpfte darum, die Augen offen zu halten, und kniff sich sogar selbst in die Wange. Sie spürte den leichten Schmerz und versuchte, ihren Blick scharf zu stellen.
Als ihr bewusst wurde, dass sie sich in einem Krankenzimmer befand, schnappte sie nach Luft.
Eine Schwester kam ins Zimmer gelaufen und nahm ihre Hand. »Dornröschen ist erwacht. Wer sagt’s denn? Der Arzt ist gerade gegangen. Wie fühlen Sie sich?«
Rebecca wandte den Kopf in Richtung der Schwester und versuchte, einen Satz zu formulieren. Es ging leichter, als sie gedacht hatte. »Wo bin ich?«
Die Schwester erklärte es ihr. Dann runzelte Rebecca die Stirn und fragte: »Was stimmt mit mir nicht … da unten?« Sie deutete auf ihr Becken.
»Das ist ein Katheter. Du hast ein paar Tage durchgeschlafen. Ich kann ihn jetzt wohl wegnehmen.« Die Schwester schloss den Vorhang um sie herum und hob die Bettdecke an.
Ed warf die Schuhe in den Altkleidercontainer und machte sich anschließend auf den Weg weiter nach Norden nach Cheboygan. Gedankenverloren fuhr er an dem Fastfood-Lokal vorbei, wo Josh und Mike gerade ihr Abendessen beendeten. Er fuhr langsam auf den Krankenhausparkplatz, stellte den Wagen ab und blieb noch eine Weile im Auto sitzen.
»So, jetzt müsste es besser gehen.«
»Ja, danke«, sagte Rebecca, die sich rasch zurechtfand und ein Dutzend Fragen hatte. Sie erinnerte sich daran, mit dem Fahrrad losgerast zu sein, doch wie sie ins Krankenhaus gekommen war, wusste sie nicht. Hatte wirklich Josh sie hergebracht? Wo war er? »Ein großer, dunkelhaariger Mann hat mich hergebracht?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Ein sehr gut aussehender Typ war rund um die Uhr hier. Ich war mir nicht sicher, ob er dein Freund ist, denn er war, nun ja, ich weiß nicht, irgendwie sehr förmlich, wenn du weißt, was ich meine. Nett, aber sehr still.« Die Schwester plapperte vor sich hin, während sie den Vorhang wieder öffnete. »Die Guten sind ja alle immer schon vergeben. Du hast Glück.«
Rebecca runzelte die Stirn. Das konnte nicht Josh gewesen sein, denn der hätte doch mit den Schwestern geredet. Es klang eher so, als könnte wieder einmal Ed ihr Retter gewesen sein. »Kann ich mit diesem Telefon auch ein Ferngespräch führen?«
»Na klar«, antwortete die Schwester und zeigte ihr, was sie wählen musste.
Rebecca hörte sich Joshs Ansage auf seiner Mailbox an und hinterließ eine Nachricht: »Hey, Josh, mach dir keine Sorgen. Ich bin im Krankenhaus in Cheboygan. Zimmer 304. Mit geht’s gut. Kann’s kaum erwarten, dich zu sehen.«
Ed entschied, dass es das Beste wäre, von dem Empfang aus in ihrem Zimmer anzurufen. Wenn sie allein wäre, würde er hochgehen.
Rebecca meldete sich nach dem ersten Läuten. Sie war sich sicher, dass es Josh war.
»Hallo.« Das war nicht Joshs Stimme.
»Ed?«
»Ja. Störe ich dich gerade?«
»Nein, natürlich nicht. Ich vermute, ich muss mich schon wieder bei dir bedanken. Wo bist du?«
»In der Empfangshalle.«
»Tatsächlich? Du bist hier? Na, dann komm doch rauf.«
»Dein Bewacher würde mich nicht reinlassen.«
Sie lächelte. »Da gibt es keinen. Du bist mein Bewacher, nicht wahr? Ich würde mich sicherer fühlen, wenn du in der Nähe bist. Mein Freund ist auch auf dem Weg hierher. Ich kann’s kaum erwarten, euch einander vorzustellen.«
Edward wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er wünschte, er hätte die Schlafmittel nicht weggeworfen.
»Fünf Minuten«, sagte er und legte auf. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Josh da sein würde. Er musste sich etwas überlegen.
Rebecca lächelte über seine Schüchternheit. Eigentlich wäre sie gern ins Badezimmer gegangen, um sich das Gesicht zu waschen, aber sie fühlte sich noch nicht sicher genug, aufzustehen und den Tropf mitzunehmen. Sie sah in die Schublade neben dem Bett. Manchmal gab es in Krankenhäusern ja solche Dinge wie Zahnbürste, Kamm und Deo. Doch die Schublade war leer. Sie machte die Tür des Nachtschranks auf und entdeckte den Rucksack. Sie musste einen Fuß um das Metallgitter an der Bettseite haken, um sich so weit aus dem Bett lehnen zu können, dass sie den Rucksack erreichte.
Dann ließ sie ihn auf ihren Bauch sinken und sah hinein. Brot, Messer, Streichhölzer, Schere und … die Pistole.
»Sieh dir
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