Sommerferien in Peking
nach Hause fährt das Taxi in eine andere Richtung.
»Da heute dein Geburtstag ist, machen wir noch einen kleinen Ausflug«, sagt Lao Ye.
Nach über einer Stunde Fahrt sind wir von Bergen umgeben. Der Fahrer hat die Fenster geöffnet.
»Wie schön und ruhig es hier draußen ist – weit weg von der großen Stadt«, meint Lao Ye und atmet tief ein.
»Die Luft ist so klar wie in Deutschland!«, sage ich stolz.
Hier in den Bergen ist es überall grün. Plötzlich merke ich, wie ich die grüne Wiese und den Silberbach hinter unserem Haus in Deutschland vermisse ...
Ein paar Bauern weichen zur Seite, um unser Taxi vorbeizulassen. Sie schauen uns erst teilnahmslos an, wirken dann jedoch erfreut, als Lao Ye ihnen zuwinkt. Ihre Arme und Gesichter sind braun gebrannt. Eine Frau trägt ein kleines Kind auf dem Rücken. Es ist eingewickelt in ein buntes Tuch und schläft.
Schließlich kommen wir zu einem Hotel, vor dem Tante Bin schon auf uns wartet. Anders als die meisten Hotels in der Großstadt hat dieses Hotel einen riesengroßen Garten und keines der Gebäude ist höher als vier Etagen. Im Garten gibt es sechs unterschiedliche Heilquellen. Tante Bin arbeitet hier und kennt das Hotel wie ihre Westentasche. Sie erzählt uns, dass jede Heilquelle einen anderen Heilungseffekt hat. Die Heilquelle mit grünem Wasser ist sehr effektiv gegen Gelenkentzündungen und die Farbe entsteht durch das Beimischen von Tannennadeln. Eine andere Quelle, in der Rosenblüten auf dem Wasser schwimmen, ist gut für die Schönheit.
»Im Winter wird das Wasser warm gehalten, sodass man draußen baden kann«, erklärt Tante Bin lächelnd.
Die coolste Heilquelle ist eine mit vielen kleinen Fischen drin. Ein paar Herren liegen gerade im Wasser und lassen sich von den Fischen umschwärmen und »küssen«. Kranke, schuppende Hautstellen sollen auf diese Art und Weise einfach von den Fischen weggeknabbert werden. Ich kann es kaum glauben: Knabberfische – wie kitzelig, denke ich.
Tante Bin hat für uns einen Tisch im Restaurant bestellt, direkt am Fenster mit herrlichem Blick auf die Berge. Zu meiner Überraschung sitzen bereits Lao Lao, Mi Mi und Meister Zhao am Tisch. Sogar Lei ist mit dabei.
»Danke, dass du uns alle eingeladen hast, Lisa«, sagt Meister Zhao zu mir. Bevor ich etwas erwidern kann, springt Tante Bin ein: »Aber bitte, Meister Zhao. Und dass Lei mitgekommen ist, freut uns besonders. Er muss auch mal etwas anderes machen als Lernen. Niemand kann den ganzen Tag büffeln.«
»Das meine ich auch«, sagt Meister Zhao. »Die Kinder heutzutage müssen alles können und alles lernen.«
Tante Bin dreht sich zu Lei: »Du willst bestimmt später mal an der Kunstakademie studieren, oder?«
Leis Augen leuchten. Aber nur ganz kurz. So kurz, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich es wirklich gesehen habe. Dann sind die Augen wieder von einem Schatten überzogen. Meister Zhao antwortet für Lei: »Schon. Aber seine Eltern möchten, dass er die Medizinische Universität in Peking besucht. Das ist die beste Medizinische Universität Chinas ...«
»Leis Mama ist doch selbst eine Künstlerin. Sie kann doch nicht so ›altmodisch‹ sein.« Beim Wort altmodisch macht Tante Bin mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft.
»Ja. Aber trotzdem meint sie, dass Malen kein richtiger Beruf ist«, seufzt Meister Zhao. »Sie hat es auch nicht leicht. Vor allem nach dem Autounfall ...«
Meister Zhaos Stimme macht mich irgendwie traurig. Und wenn mich etwas traurig stimmt, versuche ich lieber, an etwas Schönes zu denken.
Ich schaue mich um: Es gibt viele ausländische Gäste hier. Eine Gruppe Deutscher sitzt nicht weit von uns entfernt. Eine deutsche Frau hat gerade auf dem Nachbartisch einen Feuertopf entdeckt. Angeregt wird diskutiert, was das wohl für ein Essen ist. Zum Schluss holen sie eine Kellnerin und fragen auf Englisch, ob in dem Feuertopf Rindfleisch oder Schweinefleisch ist.
»No, this is no pork and no beef«, antwortet die Kellnerin langsam und nachdenklich. Offensichtlich fällt ihr der englische Name des Fleisches im Moment nicht ein.
»Is this fish?« Die deutsche Frau faltet jetzt beide Hände zusammen und schwimmt mit den Händen vorwärts wie ein Fisch.
»No«, sagt die Kellnerin wieder.
»Or rabbit?« Die deutsche Frau hält ihre beiden Hände an den Kopf und schnüffelt mit der Nase wie ein Hase. Die anderen deutschen Gäste fangen an zu lachen.
»No«, verneint die Kellnerin noch einmal. Ich merke, dass sie
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