Sommerfest
Wiese auf den Weg rollt, ist er aus. Hinterm Tor wird nicht weitergespielt, da gibt es Ecke oder Abstoß. Und das Wichtigste, und jetzt hört ihr mir alle zu, auch du, Daniel, wenn der Ball auf die Straße rollt, dann rennt keiner, ich wiederhole, keiner hinterher, verstanden?« Die Kinder knuffen sich, spielen schon mit dem Ball und reagieren nicht. »Ob ihr das verstanden habt?«, wiederholt der Vater mit deutlich erhobener Stimme, und diesmal schreien sie alle JA , deutlich genervt, weil das Spiel endlich losgehen soll.
»Das ist wichtig«, sagt Frank Tenholt, »die rasen hier manchmal die Straße hoch, da kriegst du die Pimpernellen. Seitdem sie die Herner Straße einspurig gemacht haben, fahren alle hier lang, um den Stau zu meiden. Auch so eine intelligente Lösung, den Verkehr in die Wohngebiete umzuleiten.«
»Weißt du, wozu ich Lust hätte?«, fragt Stefan.
»Sag’s mir!«
»Tretbootfahren.«
»Keine schlechte Idee.«
Frank Tenholt drückt dem anderen Vater den bunten Rucksack in die Hand und sagt, seine Söhne müssten vielleicht mit ein bisschen sanftem Druck dazu gebracht werden, genug zu trinken. Der andere Vater sagt, er kenne das, und Stefan und Frank Tenholt machen sich auf den Weg hinunter zum Gondelteich.
Schon von Weitem erkennt man, dass das Wasser eine grünbraune Brühe ist.
»Da möchte man aber nach wie vor nicht reinfallen«, sagt Stefan.
»Ach, es ist ein Drama«, bestätigt Frank Tenholt. »Die Stadt hat kein Geld, um den Park richtig zu pflegen. Im Herbst fällt das ganze Laub in den Teich, sinkt auf den Grund und wird zu Schlamm. Irgendwann werden sie den ausbaggern müssen, und das wird dann richtig teuer.«
An der Anlegestelle sitzt ein Mann mittleren Alters in kurzer Jeans, einem weißen Unterhemd und braunen Sandalen ohne Socken. Frank Tenholt nickt ihm zu, der Mann steht auf, zieht ein träge vor sich hin dümpelndes, weiß-gelbes Tretboot heran und hält es mit seinem rechten Sandalenfuß lässig fest, sodass Stefan und Frank Tenholt einsteigen können.
»Seine Nagelschere hat er wohl letztes Jahr verloren«, raunt Frank Tenholt Stefan mit einem Blick auf die hässlichen Zehen des Bootswartes zu.
»Und jetzt kann er mit einer Schere schon nichts mehr ausrichten. Da muss er mit ’ner Säge ran!«
Sie grinsen und steuern das Boot erst mal in die Mitte des Teiches.
»Warst du auf der Beerdigung von Onkel Hermann?«, fragt Stefan.
»Klar. Ich hatte doch erst kürzlich mit ihm zu tun. Wir hatten im Museum dieses Projekt, wo alte Bergleute aus ihrem Leben erzählen. Und Hermann hatte eine ganze Menge zu erzählen.«
Sie schweigen eine Zeit lang, und Stefan wünscht, er wäre dabei gewesen, wie Onkel Hermann diese Geschichten erzählte. Ein paar kennt er ja, aber er hat sich nie die Mühe gemacht, mal tiefer zu graben. Eine Schande.
Sie lenken das Boot auf die andere Seite, in den Schatten der Uferbäume und starren ein wenig vor sich hin.
»Und, wär das nichts für dich, Kinder?«, fragt Frank Tenholt unvermittelt.
»Das hat sich bisher nicht ergeben«, sagt Stefan, der mit dieser Frage nicht gerechnet hat, sondern eher mit der, ob er Charlie schon angerufen habe. »Ich meine, es hat sich nicht aufgedrängt. Also manchmal schon. Man musste da manchmal so Gespräche führen, aber die verliefen dann im Sande, das ist schwer zu erklären, ziemlich kompliziert.«
»Nee, ist ganz einfach«, bekommt Stefan zu hören. »Du wolltest keine oder hast noch nicht die richtige Frau gefunden. Ich meine, wenn ich mir vorstelle, eine meiner Exfreundinnen wäre schwanger geworden, gute Güte, da gab es Kandidatinnen, da kriege ich eine Gänsehaut.«
»Ich weiß, was du meinst, aber niemand sagt heute noch gute Güte.«
»Habe ich das gesagt? Hab ich gar nicht gemerkt.«
»Ich habe eigentlich gedacht, du fragst mich, ob ich schon mit Charlie gesprochen habe, das bin ich heute nämlich schon mehrmals gefragt worden.«
»Interessant, dass du in diesem Zusammenhang darauf kommst.«
»Ich mache hier Konversation, das ist alles, und bevor du fragst …«
»Ich frage gar nicht.«
»Ja, ich habe sie angerufen, aber ich habe sie nicht erreicht. Bist du jetzt zufrieden?«
»Wollte ich gar nicht wissen.«
»Wolltest du wohl!«
»Aber ich habe nicht gefragt.«
»Jetzt weißt du es trotzdem.«
»Wo hast du sie denn angerufen?«
»Wie meinst du das?«
»Festnetz oder Mobil?«
»Festnetz. Ich weiß aber gar nicht, ob es die richtige Nummer ist. Da ging nicht mal ein
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