Sommerfest
Blick und sagt: »Der Große heißt Richard, der Kleine heißt Oskar.«
»Hallo, Jungs«, sagt Stefan und hält ihnen die Hand hin. Der Große nimmt sie, sagt Hallo und setzt sich an denTisch, auf dem Apfelschorle und Kekse stehen. Der Kleine patscht Stefan einmal gegen die Hand und versteckt seine dann hinter dem Rücken. »Bist du der Schauspieler?«, fragt er.
»Ganz richtig.«
»Du warst schon mal im Fernsehen.«
»Ja, genau«, sagt Stefan und hofft, dass der Junge den Film nicht gesehen hat.
»Papa hat das erzählt, aber der Film ist nichts für Kinder.«
»Da hat dein Papa recht.«
»Kannst du nicht mal in einem Kinderfilm mitmachen?«
»Würde ich gerne.«
»Ja, dann mach doch mal.«
»Da muss mich erst mal einer fragen.«
»Dann streng dich eben an«, sagt der Junge und setzt sich zu seinem Bruder.
Stefan folgt Frank Tenholt in die Küche, die recht modern eingerichtet ist, mit schlichten weißen Schränken und einer hohen Kühl-/Gefrierkombination, aber nicht in oben und unten geteilt, sondern in rechts und links, rechts der breite Kühlschrank, links der schmale Gefrierschrank mit Eiscrusher. Auf der Arbeitsfläche ein schicker Kaffee-Vollautomat. Per Knopfdruck zaubert Frank Tenholt zwei perfekte Cappuccinos in zwei weiße Tassen und sagt: »Die Kinder sind gleich im Stadtpark zum Fußball verabredet. Ich dachte, wir bringen sie rüber und drehen dann eine Runde durch den Park.«
»Gute Idee.«
Mit den Tassen in der Hand setzen sie sich auf die Terrasse.
»Es gibt bei uns praktisch kein anderes Thema mehr als Fußball«, sagt Frank Tenholt, »vor allem seit die Jungs selber spielen.«
»Ich nehme an, den Verein kenne ich?«
»Da liegst du richtig, mein Bester! Die Spielvereinigung ist quasi um die Ecke, und einen anderen Verein hätte ich meinem alten Herrn kaum antun können.«
Franks Vater, Heinz Tenholt, ist einer der legendären Spieler, die es mit der Spielvereinigung Ende der Fünfziger mal fast in die Oberliga West geschafft haben. Später ist er dann lange Jahre erster Vorsitzender gewesen, und sein Sohn Frank hat auch gespielt, genau wie Stefan und Toto Starek und einige andere, bis in die erste Mannschaft, aber über Bezirksliga ist man da nicht mehr hinausgekommen.
»Heute ist Sommerfest«, sagt Stefan so vor sich hin.
»Ja, klar, da müssen wir natürlich auch noch hin«, sagt Frank Tenholt.
»Wo ist eigentlich deine Frau?«, fragt Stefan. Ein bisschen hofft er, Karin heute noch über den Weg zu laufen, ein bisschen fürchtet er sich davor.
»Mein Ehegespons ist in ihrem Yoga-Kurs. Dürfte gegen Mittag wieder zurück sein.«
»Yoga?«
»Ist ’ne interessante Sache.«
»Machst du das auch?«
»Ich bin nicht so gelenkig.«
»Mit allem Drum und Dran, Dalai-Lama und so?«
»Yoga ist indisch, der Dalai-Lama Tibeter.«
»Ja, ja«, sagt Stefan und nimmt noch einen Schluck Kaffee.
»Nicht dein Ding, was?«
»Na ja«, sagt Stefan.
»Sag’s nicht weiter«, sagt Frank Tenholt und sieht sich um, ob seine Jungs auch wirklich nicht in Hörweite sind, »dieser ganze fernöstliche Kram ist mir zutiefst suspekt.«
Stefan ist erleichtert, dass Frank Tenholt und er sich einig sind. Sie grinsen sich an, und Frank Tenholt erzählt etwas weitschweifig von Karins Freundin, die in Sachen fernöstliche Erleuchtung noch sehr viel radikaler sei als Karin, und während Frank Tenholt redet, denkt Stefan an Diskussionen, die er mit Anka hatte. Die findet ja auch, dass der Dalai-Lama so nett lächelt und so witzig sein kann, obwohl er doch ein Heiliger ist, und Stefan fragt sich, wieso sie dieses Zeug so einfach nachbrabbelt, wo sie doch in schallendes Gelächter ausgebrochen wäre, wenn man einen älteren Herrn mit Kassengestellbrille aus, sagen wir mal, Giesing zum Heiligen erklären würde, schließlich ist sie alles in allem antiklerikal und kirchenkritisch, wie man es in diesen Kreisen zu sein hat. Er muss zugeben, dass er dieses Thema nie vertieft hat, nur ist ihm alles Weißgewandete und Lächelnde erst mal verdächtig, mal ganz abgesehen davon, dass man mit den ganz Überzeugten nur schwer diskutieren kann, weil sie ja per Definition auf der richtigen Seite stehen. Wie viele Kriege werden denn schon im Namen des Buddhismus geführt? Na also! Das ist wie mit Radfahrern, denkt Stefan, für die gibt es ja auch keine Gesetze, die sind gut und fertig, schließlich schonen sie die Umwelt, und jeder Autofahrer ist einer, der die Zukunft des ganzen Planeten ruiniert. Radfahrer haben immer
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