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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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eine Gehirnerschütterung.«
    »Dabei ist das hier nicht mal die Todesbahn!«
    Die Todesbahn führt über den von hier aus seitlich links gelegenen Hang unterhalb des Bismarckturms über den Weg, die Böschung hinunter bis auf den Gondelteich, und nur Weicheier, Feiglinge und Muttersöhnchen prüften früher die Stärke des Eises, bevor sie hinunterrasten. Die anderen waren entweder die Könige, weil sie einfach durchbretterten und dann in der Mitte der Eisfläche standen und ihren Schlitten wie eine Trophäe in den Himmel recken konnten, oder sie brachen ins Eis ein und holten sicheine Lungenentzündung, aber damit waren sie ja eigentlich auch die Könige.
    Auf dem Plateau vor dem Turm angekommen, verschnaufen sie kurz und machen Bemerkungen über das Alter und wie sie hier früher den Hügel hochgeflogen sind. Vom nahen Tierpark kommen Tiergeräusche herüber. Stefan liest den Text auf einer Informationstafel neben dem Eingang. Demnach ist die Idee des Bismarckturms aus der Deutschen Studentenschaft hervorgegangen. Im ganzen Reich sollten Bismarcktürme zu Ehren des Kanzlers von Blut und Eisen gebaut werden, oben drauf Feuerschalen.
    »Das rostige Ding neben dem Turm!«, sagt Stefan.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe mich immer gefragt, was das für eine riesige Schale ist, die neben dem Turm vor sich hin rostet.«
    »Die Feuerschale, die früher obendrauf stand.«
    »Danke, das weiß ich jetzt auch.«
    Sie steigen die Treppe hoch zum Eingang und betreten eine kleine Säulenhalle, in der ein gelangweilter Mann in einem knappen weißen T-Shirt sich auf einem unbequemen Stuhl lümmelt.
    »Einhundertneunundvierzig Stufen!«, sagt Frank Tenholt und macht eine Kopfbewegung Richtung Treppe.
    »Mach ich üblicherweise vor dem Frühstück«, sagt Stefan.
    Auf der ersten Zwischenebene steht eine runde Bank. An den weiß getünchten Wänden hängen Bilder von den Kräutern und Pflanzen, die ringsum im Stadtpark wachsen.
    Auf der zweiten Ebene hängen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von historischen Gebäuden, alten Kirchen und Industriebauten, dem Wasserturm an der Jahrhunderthalle,dem ein oder anderen abgerissenen Gasometer. Da ist auch ein Luftbild, das vor knapp hundert Jahren von diesem Turm aus aufgenommen worden ist und auf dem man erkennen kann, wie sich die ganze Umgebung verändert hat.
    Als sie oben ankommen, pumpen sie wie zwei Marathonläufer bei Kilometer einundvierzig, tun aber so, als wäre das eine ihrer leichteren Übungen, bis sie beide lachen müssen.
    »Immer wieder toll, so ein freier Blick«, sagt Frank Tenholt.
    »Nicht gerade viel Landschaft.«
    »Früher alles voller Fördertürme und Schornsteine. Das hatte auch was.«
    »Wenn man hier nicht wohnen musste, unter der Dunstglocke.«
    »Fahr mal über die A   2 von Westen her hier herein, da gibt es eine Stelle, wo man einen tollen Überblick hat, und da sieht man hier und da noch Fördertürme aus den Bäumen ragen. Als wären sie da ganz natürlich gewachsen.«
    Von hier oben konnte man in den Tierpark hineinblicken, mit seinem neuen Nordseeaquarium und dem Streichelzoo und dem großen Spielplatz. Gleich neben dem Eingang war früher das winzige, grau betonierte Bärengehege, in dem zwei Braunbären vor sich hin dämmerten, von denen der eine irgendwann gestorben ist und dann ausgestopft wurde.
    »Lebt eigentlich der zweite Braunbär noch?«, fragt Stefan.
    »Den haben sie ausgewildert. Also so gut wie, der ist jetzt ist einem riesigen, eingezäunten Waldgebiet im Sauerland.«
    Stefan nickt und fragt sich, wie so ein Bär überhaupt zurechtkommen soll, wenn er zeit seines Lebens auf hundert Quadratmetern Beton vegetiert hat.
    Man sieht auch das Hotel, das vor Jahren an den Rand des Stadtparks gebaut worden ist, und dessen Gäste nach hinten raus in den Tierpark blicken können. Man sieht das Stadion und die mickrige Skyline dieser mittleren Großstadt im mittleren Ruhrgebiet und das Bergbaumuseum mit seinem Förderturm.
    Sie ruhen sich noch ein wenig aus, dann machen sie sich an den Abstieg.
    »Und beruflich?«, fragt Frank Tenholt, als sie unten ankommen und sich Richtung Milchhäuschen wenden.
    »Könnte besser sein«, antwortet Stefan. »Das Theater hat mir den Vertrag nicht verlängert, aber am Montag habe ich ein Vorsprechen für eine Fernsehserie.«
    »Fernsehen. Wäre doch nicht schlecht, oder?«
    Stefan zuckt die Schultern. »Mal sehen.«
    »Und was machst du jetzt mit dem Haus?«
    »Verkaufen. Am späten Nachmittag treffe ich einen Makler.«
    Frank

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