Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
Vom Netzwerk:
nachgedacht habe … Man denkt doch immer nach, von morgens bis abends und dann die ganze Nacht, das ist doch nichts Besonderes. Hat sie denn nie darüber nachgedacht, was passiert und wo wir stehen, wenn es nicht klappt? Dann ist da nix mehr, aus, Sense, Ende Gelände, versaut für einander und für alle anderen auch. DAS sind Gedanken, Charlie, nicht ob man eine alte Kneipe wieder auf Vordermann kriegt. Sondern: Bin ich bereit, mein Leben zu riskieren?
    »Ich muss einen Zug kriegen«, sagt er, und es ist, als würde er sich selbst nur dabei zuhören. »Ich habe mit Zugbindung gebucht, damit es günstiger ist, und ich habe morgen früh ein Vorsprechen. Die haben meinen Vertrag nicht verlängert, und deshalb muss ich vorsprechen, also …« Herrgott, was labert er denn da, denkt er, das weiß sie doch alles, aber er kann nicht aufhören. »… und deshalb dieser Zug, dabei habe ich das Haus noch gar nicht verkauft, nicht mal den Makler getroffen. Ich bin …« Und dann fällt ihm nicht mehr ein, was er ist, weil Charlie ihn nicht mehr ansieht, sondern intensiv die Maserung der Bierbank mustert. Mit dem Finger fährt sie ein paarmal um ein Astloch, dann steht sie auf und wünscht ihm eine gute Fahrt. Sie sammelt ihr Kind ein, gemeinsam klettern sie über den Beton in der Mitte, besteigen ihre Fahrräder und fahren davon, Richtung Essen. Frank Tenholt und Karin und Thomas und Mandy sehen ihn an wie ein Unfallopfer, mitleidig, aber auch ein bisschen angeekelt. Omma Luise sieht ihn an, als wollte sie sagen: diese Art von Dummheit liegt leider in der Familie.
    Stefan weiß nicht, wie lange er so sitzt, aber plötzlich steht Diggo vor ihm und sagt: »Ey, hier ist doch nix los, wir hauen ab!«

    »Komm doch einfach nächstes Wochenende wieder«, sagt Mandy zum Abschied. »Da gehen wir zur Love Parade nach Duisburg, und da geht es dann richtig ab.«
    Stefan sagt, er überlegt es sich, aber er weiß, dass er all diese Leute so bald nicht wiedersehen wird.
    Er verabschiedet sich von Omma Luise und hält sie sehr lange im Arm.
    »Ich muss weg hier, Omma«, sagt er.
    »Ich weiß.«
    »Mach hin, Tom Hanks!«, ruft Diggo, und Stefan folgt ihm, dem Ruf der Wildnis.

[Menü]
17
     
    17 Der Lederbecher knallt auf den Tresen. Diggo hebt ihn halb an, ohne dass die anderen druntergucken können. Was er sieht, gefällt ihm nicht. Er zieht den Becher über die Kante des Tresens und kippt ihn gleichzeitig, sodass die Würfel nicht herausfallen, schüttelt ihn kurz und hämmert ihn erneut auf den Tresen. Wieder guckt er drunter, nimmt eine Eins heraus und wiederholt das Manöver mit den verbleibenden zwei Würfeln. Ein letzter Blick, und er ruft »Bock!« Alle heben die Becher, Toto hat Kontra gesprochen mit einem Schock Zwo, Stefan hatte Re erhöht mit Schock Vier, aber Diggo hat mit Schwule Jule alles getoppt. Achtundzwanzig der neunundzwanzig Deckel wandern zu Toto. Im nächsten Wurf verliert Toto mit einer Vierundvierzigdrei, während Diggo und Stefan eineFünfundsechzigzwei beziehungsweise eine Fünfundsechzigvier vorzuweisen haben. Beide Hälften sind im Rekordtempo an Toto gegangen, der auch schon drei Finger hebt. Der dicke Rolli hält die Pilstulpen unter den Hahn und zapft, ohne zwischendurch abzusetzen.
    »Pech im Spiel, Glück in der Liebe, wa?«, versucht Toto einen Witz.
    »Glück im Spiel, Geld für die Liebe, heißt das«, meint Diggo. »Aber du Penner verlierst die Spiele, bist pleite, und im Puff würden dich die Nutten nicht mal ranlassen, wenn du bezahlen könntest!«
    Toto lacht. »Ich frage mich, wo du das immer hernimmst, echt, ey!«
    »Manchen ist es gegeben.«
    Stefan trinkt sein Bier aus und wundert sich mal wieder, wie leicht das reinläuft aus diesen dünnwandigen Nullzwei-Gläsern, so leicht, dass man schon früher immer den Punkt verpasste, an dem man hätte aufhören sollen. Er hat jetzt den Eindruck, er werde gar nicht mehr betrunkener, alles ist irgendwie ganz klar und auch ganz einfach. Ein Abend mit alten Kumpels, Schocken mit Reizen, paar Bierchen, das wahre Leben, das Salz der Erde, was auch immer. Okay, die alten Kumpels sind kleinkriminelle Vollidioten, aber man kann es sich nicht immer aussuchen.
    Doch, eigentlich schon, denkt er, während der dicke Rolli mit einem weißen Plastikstab den an den Gläsern herunterlaufenden Schaum abstreift, die Papierkrägen um die Stiele legt und die Biere vor die drei hinstellt. Klar könnte ich mir das aussuchen, ich muss nicht hier sitzen, ich kann sofort zur Tür

Weitere Kostenlose Bücher