Sommerflammen
nicht, dass es jemand ist, den ich kenne.«
»Du kennst schließlich nicht jeden hier, Ro.«
»Nein, das nicht.« Auf einmal war sie unglaublich erleichtert, dass sie nur wenige aus Dollys und Latterlys Umfeld kannte. Doch was, wenn es einer von ihnen war, von den Feuerspringern?
»Dollys Beerdigung. Wo die wohl stattfindet?«, überlegte sie laut. »Bestimmt nicht in Mrs. Brakemans Kirche.«
»Marge meinte, der Gottesdienst findet im Bestattungsinstitut statt. Es werden nicht viele Trauergäste erwartet.«
»O Gott.« Sie schloss die Augen. »Ich habe sie wirklich gehasst, aber das ist echt deprimierend.«
Er stellte die Dusche aus und zog den Vorhang zurück. »Weißt du, was du brauchst?« Er griff nach einem Pland-tuch.
»Was ich brauche? Puh, lass mich raten.«
»Dummerchen! Einen Ausflug mit dem Cabrio und ein Eis.«
»Ach ja?«
»Jawohl! Wir sind die dritte Gruppe auf der Sprungliste, also können wir in die Stadt fahren und nach einer Eisdiele Ausschau halten.«
»Ich kenne zufällig eine.«
»Perfekt! Außerdem siehst du fantastisch aus. Ich sollte meine Freundin also auf ein Eis einladen.«
»Hör auf damit, Gull.«
»Nö.« Er wickelte sich ein Handtuch um die Taille und zog sie an sich, tropfhass wie er war.
»Du machst mich ganz feucht.«
»Sex, Sex, Sex. Gut, wenn dir das lieber ist.«
Damit schaffte er es, die dunklen Wolken am Horizont
zu vertreiben und sie zum Lachen zu bringen. Sie schubste ihn weg.
»Ich will ein Eis.« Da er ihre Bluse ohnehin durchnässt hatte, packte sie sein Gesicht und küsste ihn erneut. »Los, zieh dich an, mein großzügiger Held! Ich schau schnell in der Brandzentrale vorbei und sorge dafür, dass wir die nächsten Stunden freibekommen.«
Fotos von Dolly Brakeman von ihrer Geburt bis zu ihrem Tod standen auf einer Anrichte, umrahmt von rosa Rosen und weißem Schleierkraut. Den geschlossenen Sarg schmückten eine rosa Decke und weiße Chrysanthemen.
Da sie Irene bei der Auswahl der Blumen geholfen hatte, bestand Ellas Gebinde aus rosa und weißen Lilien. Sie sah noch ein paar andere Sträuße, und obwohl es so wenige waren, erfüllten sie den winzigen Raum mit ihrem Duft.
Irene saß blass, übermüdet und in Trauerkleidving auf dem düsteren weinroten Sofa, zusammen mit ihrer Schwester und deren Mann, die eigens aus Billings hergekommen waren. Ella kannte sie nur flüchtig. Der Mann saß ihnen steif und mit finsterer Miene zusammen mit Leo gegenüber, auf einem Zweiersofa. Kirchenmusik tröpfelte aus den Lautsprechern. Niemand sagte etwas. So einen traurigen Nachruf auf ein kurzes, gewaltsam beendetes Leben hatte Ella noch nie erlebt.
Sie ging quer durch den Raum, ergriff die Hände ihrer Freundin. »Irene.«
»Die Blumen sehen hübsch aus.«
»Ja.«
»Ich bin dir sehr dankbar, dass du mich beraten hast, Ella.«
»Das war doch selbstverständlich.«
Irenes Schwester nickte Ella zu, stand dann auf und setzte sich neben ihren Mann. »Die Fotos sind schön. Du hast eine gute Auswahl getroffen.«
»Dolly hat sich immer gern fotografieren lassen, schon als Baby«, sagte Irene, während Ella neben ihr Platz nahm. »Sie hat immer direkt in die Kamera geschaut. Ich weiß nicht, wie das geht, meine Tochter zu beerdigen.«
Was gab es darauf schon zu sagen? Stumm umarmte Ella Irene.
»Jetzt habe ich nur noch die Fotos. Sie sind alles, was mir von ihr geblieben ist. Das da hinten von Dolly und dem Baby wurde zuletzt gemacht. Meine Schwester Carrie wird das Baby gleich abholen. Sie war mir eine große Hilfe, ist extra aus Billings gekommen. Sie bringt Shiloh her. Natürlich wird das arme Kind nichts von alledem begreifen und sich später auch nicht mehr daran erinnern. Aber ich fand, dass sie trotzdem dabei sein sollte.«
»Natürlich. Du weißt, dass du mich jederzeit anrufen kannst. Wenn du irgendetwas brauchst.«
»Ich weiß nicht, was ich mit Dollys Sachen, ihren Kleidern machen soll.«
»Ich werde dir damit helfen, wenn du so weit bist. Schau nur, da ist Reverend Meece.«
Irenes Hand umklammerte Ellas. »Ich kenne ihn nicht. Danke, dass du ihn gebeten hast, den Trauergottesdienst abzuhalten.«
»Er ist nett, Irene. Er wird nett über Dolly sprechen.«
»Leo wollte keinen Pfarrer. Nicht nach dem, was …« Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Ich darf nicht daran denken, denn sonst werde ich noch verrückt.«
»Lass es! Denk an das hübsche Mädchen auf den Fotos. Komm, ich stelle dir Reverend Meece vor. Er wird dir Halt geben, das
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