Sommerflammen
jetzt schlendern wir herum wie ein Touristenpärchen.«
»Das eine lässt einen das andere erst so richtig schätzen.«
»Weißt du was? Wenn wir nicht ausrücken müssen, könnten wir heute Abend unser Tequila-Wetttrinken wiederholen. Wir können einen guten Tequila kaufen, bevor wir zurückfahren.«
»Du willst mich bloß betrunken machen, damit du über mich herfallen kannst.«
»Dafür muss ich dich nicht erst betrunken machen.«
»Auf einmal fühle ich mich billig und leicht zu haben. Aber das gefällt mir.«
»Vielleicht laden wir Cards dazu ein. Er könnte etwas Ablenkung gebrauchen.«
Sie schilderte Gull seine Lage.
»Der Brief ist eine gute Idee. Er sollte die Sache weiterverfolgen«, meinte er.
»Vielleicht könntest du ihm dabei helfen.«
»Ich?«
»Du kannst dich gut ausdrücken.«
»Ich glaube nicht, dass Cards will, dass ich für seine Roxanne den Cyrano gebe.«
»Siehst du?« Sie stupste ihn an und sagte gespielt primitiv: »Boah, ‘n echta Büchawurm.«
»Rowan?«
Als sie ihren Namen hörte, drehte sie sich um. Leicht verärgert und verunsichert, weil sie nicht wusste, was als Nächstes kam, ließ Rowan ihr Eis sinken. »Ah ja, hallo.«
Ella blieb auf der Bank sitzen. »Schön, Sie zu sehen. Wie ich hörte, sind Sie heute Morgen zurückgekommen.«
Ella schenkte Gull ein Lächeln. »Ich bin Ella Frazier, die Freundin von Rowans Vater.«
»Gulliver Curry.« Er trat auf sie zu und gab ihr seine freie Hand. »Wie geht es Ihnen?«
»Wollen Sie das wirklich wissen? Nicht sehr gut. Ich komme gerade von Dollys Beerdigung. Sie war genauso schlimm, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich wollte eigentlich einen Spaziergang machen, um die traurigen Gedanken zu vertreiben, aber dann habe ich mich auf eine Parkbank gesetzt. Es ist so schön. Leider funktioniert es nicht.«
»Warum waren Sie dort? Ach so, Mrs. Brakeman arbeitet an Ihrer Schule«, erinnerte sich Rowan.
»Ja. Wir haben uns im letzten Jahr angefreundet.«
»Wie geht es … Was für eine dumme Frage! Wie soll es ihr schon gehen.«
»Nicht gut, ich fürchte sogar, das Schlimmste kommt erst noch. Die Polizei war da und hat Leo nach dem Trauergottesdienst verhört. Irene erlebt einen furchtbaren Albtraum. Es fällt mir schwer, mit ansehen zu müssen, wie meine Freundin so sehr leidet, ohne dass ich ihr groß helfen kann. Oh, tut mir leid.« Sie verstummte kopfschüttelnd. »Sie haben eine Ihrer seltenen Pausen, und ich rede nur von traurigen Dingen.«
»Sie sollten ein Eis essen«, schlug Gull vor. »Welche Sorte?«
»Oh, nein, ich …«
»Eis«, sagte er, »hilft hervorragend gegen Traurigkeit. Was möchten Sie?«
»Sie sollten sich lieber für eine Sorte entscheiden«, riet Rowan ihr. »So schnell gibt der nämlich nicht auf.«
»After Eight. Danke.«
»Bin gleich wieder da.«
Als Gull zur Eisdiele zurückjoggte, wurde Rowan noch verlegener. »Sie haben bestimmt meine Kollegen gesehen.«
»Ja. Leo hat eine Szene gemacht, die fast eskaliert wäre. Aber dann hat sich Matt eingeschaltet, die Polizei kam … Trotzdem war die Atmosphäre furchtbar angespannt. Hass, Trauer, unterdrückte Wut - das alles war mit Händen zu greifen. Na ja. Genug davon!« Sie schloss die Augen. »Genug von diesem Thema. Möchten Sie sich setzen? Ihr reizender Freund ist nämlich nicht nur verschwunden, um mir ein Eis zu holen, sondern auch, damit wir ein bisschen ungestört sind.«
»Gut möglich. Er liebt es, Dinge anzustoßen.«
»Er ist ganz reizend. Taff, aber liebevoll. Eine unwiderstehliche Kombination.« Ella setzte sich schräg, sodass sie Rowan ins Gesicht sehen konnte. »Sie fühlen sich in meiner Gegenwart unwohl, weil ich mit Ihrem Vater zusammen bin.«
»Ich kenne Sie doch gar nicht.«
»Nein. Ich habe das Gefühl, Sie wenigstens ein bisschen zu kennen, weil Lucas ständig von Ihnen erzählt. Er liebt Sie so sehr, ist so stolz auf Sie. Es gibt nichts, was er nicht für Sie tun würde.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Ich weiß. Würde er gezwungen, sich zwischen Ihnen und mir zu entscheiden, hätte ich nicht die geringste Chance.«
»Ich habe nicht vor …«
»Bitte lassen Sie mich ausreden, denn Sie kennen mich nicht und sind nicht sehr überzeugt von mir. Warum sollten Sie? Aber da sich die Gelegenheit ergeben hat, möch-
te ich Ihnen sagen, dass Ihr Vater der tollste, rührendste, aufregendste Mann ist, den ich jemals kennengelernt habe. Ich habe den ersten Schritt gemacht, weil er so schüchtern war.« Sie legte eine
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