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Sommerflammen

Sommerflammen

Titel: Sommerflammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine
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weißt, wie gern ich das tun würde. Dann könnten wir uns hinsetzen und uns gemeinsam einen Uberblick über deine Finanzen verschaffen, wenn dir das recht ist.«
    Als sie sich umdrehte und sah, wie Tränen über Irenes Gesicht liefen, verstummte sie.
    »Oh, es tut mir leid, es tut mir so leid.« Sie ließ die Teller stehen, lief zu Irene und schloss sie in die Arme.
    »Ich kann das nicht, Ella. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Mich hat jeder Mut verlassen.«
    »Du bist einfach nur erschöpft.«
    »Ja, das bin ich auch. Das Baby zahnt, und wenn es nachts schreit, wünsche ich mir einfach nur, dass es aufhört. Dass es ruhig ist, mich etwas schlafen lässt. Ich bin bereit, es wegzugeben, damit ich arbeiten kann. Aber selbst mit meinem zweiten Job kann ich die Raten für das Haus nicht bezahlen.«
    »Lass mich dir helfen.«
    »Wie denn? Willst du meine Rechnungen bezahlen, meine Enkelin großziehen, meinen Haushalt führen?«
    Selbst diese brutalen Worte klangen kraftlos. »Wie lange soll das so weitergehen, Ella? Bis Leo zurückkommt, falls er überhaupt jemals wieder zurückkommt? Bis er aus dem Gefängnis entlassen wird, falls er ins Gefängnis kommt?«
    »Solange du mich brauchst, Irene.«
    »Ich weiß, du meinst es nur gut, aber ich sehe nicht, wie das funktionieren kann. Ich wollte ihm glauben. Er ist mein Mann, und ich wollte ihm glauben, als er gesagt hat, dass er unschuldig ist.«
    Weil sie nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte, schwieg Ella, während Irene die Küche in sich aufnahm.
    »Und dann hat er mich im Stich gelassen und das Geld, das ich so dringend brauche, aus dem Automaten gezogen. Was soll ich nur denken?«
    »Setz dich. Ein Tee ist zwar nichts Besonderes, aber immerhin etwas.«
    Irene setzte sich, sah aus dem Fenster in den Garten hinaus, in dem sie einst so gern herumgewerkelt hatte. In jenen Garten, den ihr Mann als Fluchtweg benutzt hatte.
    »Ich weiß, was die Leute hintenherum reden: Leo hat Reverend Latterly umgebracht, und wenn er ihn umgebracht hat, muss er auch Dolly umgebracht haben. Sein eigen Fleisch und Blut.«
    »Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist, Irene.«
    Irenes Gesicht war ganz eingefallen, in den letzten zwei Monaten schien sie um zehn Jahre gealtert zu sein. »Ich selbst bin auch nicht besser. Ich spreche es zwar nicht laut aus, denke aber genauso. Ich denke daran, wie Dolly und er sich gestritten, sich angeschrien und sich furchtbare Dinge an den Kopf geworfen haben. Trotzdem hat er sie geliebt. Das weiß ich.«
    Irene starrte in den Tee, den Ella vor sie hingestellt hatte. »Vielleicht hat er sie zu sehr geliebt. Mehr als ich. Deshalb hat ihn das, was sie gesagt und getan hat, ganz besonders getroffen. Mehr als mich. Liebe kann in Hass umschlagen, nicht wahr? Einfach so, von einer Sekunde auf die andere.«
    »Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass dir Verzweiflung auch nicht weiterhilft. Du solltest dich auf dein Leben und das Baby konzentrieren. Tu, was du tun musst, um euer Leben so erträglich wie möglich zu gestalten, bis du mehr weißt.«
    »Das tue ich bereits. Bevor ich heute Morgen zur Arbeit ging, habe ich Mrs. Brayner angerufen, Shilohs andere Großmutter. Sie und ihr Mann kommen aus Nebraska und nehmen Shiloh mit zu sich.«
    »Oh, Irene!«
    »Das ist das Beste für das Baby.« Sie wischte sich eine Träne ab. »Es hat mehr verdient als das, was ich ihm geben kann. Shiloh ist unschuldig, die Einzige, die wirklich unschuldig ist. Sie hat etwas Besseres verdient, als bei Freundinnen und Nachbarn abgestellt zu werden, während ich arbeite. Und wenn ich dann zu Hause bin, bin ich auch kaum in der Lage, mich richtig um sie zu kümmern. Ich weiß nicht mal, wie lange ich ihr noch ein Dach über dem Kopf bieten, geschweige denn, wie lange ich ihre Kleider und den Kinderarzt bezahlen kann.«
    Ihre Stimme brach. Sie hob die Teetasse, nippte daran. »Ich habe gebetet und mit Reverend Meece darüber gesprochen. Er ist nett, Ella, genau wie du gesagt hast.«
    »Er und seine Kirche könnten dir helfen«, schlug Ella vor, doch Irene schüttelte nur den Kopf.
    »Ich weiß einfach, dass ich Shiloh unter den gegebenen Umständen kein schönes Leben bieten kann. Außerdem darf ich ihr nicht die Familie vorenthalten, die dazu sehr wohl in der Lage ist. Ich kann nicht zulassen, dass sie sich eines Tages fragen muss, ob ihr Großvater ihr die Mutter genommen hat.«
    Ella nahm Irenes Hand. »Ich weiß, dass dir diese Entscheidung nicht leichtgefallen ist. Ich weiß,

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