Sommerflammen
stieß, war ein gewisser Bootstrap der Chef. Er war okay, aber jeder Anfänger konnte sehen, dass er mit seinen Gedanken längst in Rente war. Er besaß eine Blockhütte oben in Washington State, und dort hielt er sich am liebsten auf. Jeder wusste, dass das seine letzte Saison war. Er blieb auf Distanz, wenn du verstehst, was ich meine. Vor allem zu den Anfängern.«
Gull nickte und probierte den Sandkuchen. Köstlich! »Er wollte keine neuen Freundschaften mehr schließen.«
»Wahrscheinlich nicht. Und dann kam L. B. Du kennst ihn ja. Er ist zwar der Chef, aber auch einer von uns. Wer streiten, jammern oder einfach nur Dampf ablassen will, kann zu ihm gehen.«
»Auf L.B.!«
»Worauf du einen lassen kannst!« Sie legte den Kopf schräg, während sie sich zuprosteten. »Ich habe gern Sex mit dir.«
Seine Katzenaugen funkelten im Schein des Lagerfeuers. »Das gilt auch für mich.«
»Im Ernst. Die halbe Saison ist schon vorbei, und so eine hatte ich noch nie: Mord, Brandstiftung, Katastrophen - und ich habe regelmäßig Sex.«
»Hoffentlich gibt es in der zweiten Hälfte nur Letzteres.«
»Unbedingt! Trotzdem, Gulliver, auch wenn ich gern Sex mit dir habe, ist mir auch klar, dass ich ohne den Sex …«
»Beiß dir sofort auf die Zunge!«
»Dass ich auch ohne den Sex gern mit dir am Lagerfeuer sitze und rede. Egal, worüber.«
»Das geht mir genauso. Nur dass ich auf den Sex nicht verzichten möchte.«
»Wie praktisch. Du wünschst dir nicht insgeheim, ich wäre anders, das finde ich gut: nicht weniger besessen von meiner Arbeit, dafür mehr versessen auf Reizwäsche.«
Er zog eine Zigarre hervor und zündete sie an, stieß eine große Rauchwolke aus. »Ich mag Reizwäsche. Nur damit du das weißt.«
»Es stört dich nicht, dass ich dich ausgebildet habe und dir bei einem Einsatz unter Umständen Befehle gebe.«
Sie nahm die Zigarre, die er ihr anbot, und genoss ihren Geschmack. »Weil du weißt, wer du bist, und nur
darauf kommt es an. Ich kann dich nicht herumkommandieren, und auch das ist wichtig. Hinzu kommt noch etwas, das ich nie für wichtig hielt. Ist es aber, wenn es mit den bereits erwähnten Dingen einhergeht. Du schenkst mir Wildblumen in einer Wasserflasche.«
»Ich denke eben an dich«, sagte er nur.
Sie zog erneut an der Zigarre, wartete, bis sie sich wieder gefasst hatte, und gab sie ihm zurück. »Ich weiß, und auch das ist neu in dieser Saison. Auch ich denke viel an dich, Gull. Mir liegt viel an dir.«
Er griff nach ihrer Hand. »Ich weiß. Aber schön, dass du das sagst.«
»Besserwisser.« Nach wie vor seine Hand haltend, legte sie den Kopf in den Nacken und schaute zum sternen-übersäten Himmel empor. »Es wäre schön, noch ein paar Tage bleiben zu können. Frei von allen Sorgen.«
»Wenn die Saison vorbei ist, kommen wir zurück.«
So weit konnte sie noch gar nicht denken. Was kam nächsten Monat, was nächstes Jahr? Beides kam ihr so unendlich weit weg vor wie die Sterne. So flüchtig wie Rauch.
Aus ihrer Sicht war es das Beste, sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Als der Morgen heraufdämmerte, träumte Gull, er würde unter einem Wasserfall schwimmen. Er tauchte tief in das kristallblaue Nass ein und sah, wie die Sonne den Boden golden aufleuchten ließ. Das Wasser prasselte herab, während Rowan mit goldglänzender Haut und ihren klaren, kühlen Augen auf ihn zuschwamm. Ihre Arme umschlangen sich, ihre Münder trafen sich, und sein Herz klopfte im Rhythmus des Wasserfalls.
Als er sich an sie schmiegte, träge über ihre Hüfte strich, glaubte er nach wie vor zu träumen. Er ließ sich zurück an die Oberfläche treiben, in den Traum hinein und wieder hinaus, während das Wasser weiter auf ihn einprasselte.
Es hallte im Zelt wider, als er die Augen öffnete. Er lächelte in der Dunkelheit und schüttelte Rowan vorsichtig.
»He, hörst du das?«
»Was?«
Ihr genervter, verschlafener Tonfall passte zu dem Stoß, den sie ihm versetzte. »Was ist?«, wiederholte sie schon etwas wacher. »Ist der Bär zurückgekommen?«
»Nein, hör doch mal!«
»Ich will nicht … Es regnet.« Sie stieß ihn heftig von sich und setzte sich auf. »Es regnet!«
Sie kroch aus dem Zelt. »O ja, mein Schatz! Bleib, lieber Regen, bleib! Hörst du das?«
»Ja, nur dass mich dein Anblick gerade etwas ablenkt.«
Er sah, wie ihre Augen funkelten, als sie sich grinsend zu ihm umsah. Dann verließ sie das Zelt und stieß einen langen Freudenschrei aus.
Was soll’s, dachte
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