Sommerflammen
etwas begeistern kann, was keinen Fallschirm und keinen Motor hat. Du solltest dich auch darüber freuen, Rowan. Zumal es sonst wenig Grund zur Freude gibt.«
»Ich weiß nicht so recht. Was ist so schlecht daran, wenn etwas, das funktioniert hat, bleibt, wie es ist?«
»Weil das irgendwann zur langweiligen Routine wird. Vor allem, wenn einer dabei einsam bleibt. Iss deinen Kuchen.«
»Ich wüsste nicht, dass Dad einsam wäre. Er hat ständig was um die Ohren und viele Freunde.«
»Aber abends, wenn das Licht ausgeht, ist er allein. Zumindest war das bis vor Kurzem so. Wenn du nicht merkst, wie er aufgeblüht ist, seit er mit Ella zusammen ist, kennst du ihn schlecht.«
Rowan wollte etwas entgegnen, sah dann aber Marges Gesicht, bevor sie sich abwandte, um die Kräuter in der Spüle zu waschen. Anscheinend hatte sie tatsächlich etwas verpasst, denn warum war Marge so traurig?
»Was ist, Marge?«
»Ach, nichts, wir erleben nur gerade harte Zeiten. Für manche sind sie besonders hart. Dir wäre es sicherlich recht, wenn Leo Brakeman spurlos verschwunden bliebe. Und das nehme ich dir auch gar nicht übel. Aber Irene ist fix und fertig.«
»Wenn er zurückkommt oder gefasst wird, landet er höchstwahrscheinlich im Gefängnis. Ich weiß nicht, ob das besser für sie wäre.«
»Gewissheit ist immer besser. Sie musste einen zusätzlichen Job annehmen, weil ihr Gehalt von der Schule nicht ausreicht. Erst recht nicht, da sie mit dem Haus für Leos Kaution gebürgt hat. Und wegen der vielen Arbeit kann sie sich nicht um das Baby kümmern.«
»Kann ihre Familie ihr nicht helfen?«
»Anscheinend nicht genug. Nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre Zeit und ihre Kräfte reichen hinten und vorn nicht. Als ich sie das letzte Mal sah, war sie vollkommen ausgelaugt. Sie steht kurz davor, alles hinzuwerfen. Keine Ahnung, wie lange sie das noch durchhält.«
»Das tut mir leid, Marge. Ehrlich. Wir könnten für sie sammeln. Das wäre zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber das Baby ist schließlich Jims Kind. Da gibt bestimmt jeder, was er kann.«
»Ich glaube nicht, dass sie das Geld annehmen würde, Ro. Zu allem Überfluss schämt sich die arme Frau in Grund und Boden. Was ihr Mann und ihre Tochter getan haben, macht ihr schwer zu schaffen. Ich glaube nicht, dass sie Geld von uns nehmen würde. Ich kenne Irene von klein auf, trotzdem schafft sie es kaum, mir in die Augen zu sehen. Das bricht mir das Herz.«
Rowan stand auf, schnitt ein kleineres Stück Kuchen ab und schenkte sich Milch nach. »Setz dich. Iss auch etwas Kuchen. Wir kriegen das schon hin«, fügte sie hinzu. »Es gibt immer eine Lösung.«
»Schön wär’s. Aber ich weiß nicht, ob sie für Irene noch rechtzeitig kommt.«
Als Ella wieder herunterkam, saß Irene nach wie vor zusammengesunken und mit gesenktem Blick auf dem Sofa. Ella setzte ein entspanntes Lächeln auf.
»Sie schläft. Ach, Irene, das ist wirklich das süßeste Baby, das ich je gesehen habe. Der reinste Sonnenschein.« Dass sie auch noch die Wäsche zusammengelegt und weggeräumt hatte, die im Korb neben der Wege lag, erwähnte sie nicht. Auch nicht die Unordnung in Irenes einst so gepflegtem Haushalt.
»Wenn ich Shiloh so sehe, wünsche ich mir noch mehr Enkel«, fuhr Ella betont fröhlich fort. »Ich mache uns einen Tee.«
»In der Küche herrscht das reinste Chaos. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt Tee im Haus habe. Ich habe es nicht mehr geschafft, einkaufen zu gehen.«
»Ich schau mal nach.«
In der Spüle der kleinen Küche, die Ella stets gemütlich und charmant gefunden hatte, türmten sich die Teller. Die beinahe leeren Schränke und der sehr übersichtliche Kühlschrankinhalt mussten dringend aufgefüllt werden.
Wenigstens das konnte sie für Irene tun.
Sie fand eine Schachtel mit Teebeuteln, setzte den Wasserkessel auf. Als sie begann, die Spülmaschine einzuräumen, kam Irene hereingeschlurft.
»Ich bin so müde, dass ich mich nicht mal mehr für meine unaufgeräumte Küche schäme. Und auch nicht dafür, dass du meinen Abwasch machst.«
»Du brauchst dich nicht zu schämen. Wozu bin ich deine Freundin?«
»Ich war einmal stolz auf mein Zuhause, aber es ist nicht mehr mein Zuhause. Es gehört der Bank. Es ist nur noch der Ort, an dem ich lebe, solange es eben geht.«
»Hör auf, so zu reden. Du wirst es schaffen. Du bist nur vollkommen erschöpft. Wie wär’s, wenn ich dir das Baby ein, zwei Tage abnehme, damit du richtig durchatmen kannst? Du
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