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Sommerflammen

Sommerflammen

Titel: Sommerflammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine
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für ein Arschloch! Allein wenn ich daran denke, was er getan hat, wird mir ganz schlecht. Ich war mit dem Mistkerl jagen, habe sogar mal mit ihm und anderen einen Ausflug nach Kanada gemacht.«
    »Hast du der Polizei gesagt, wo er sich gern aufhält?«
    »Natürlich, und zwar ohne jedes schlechte Gewissen. Was für ein Arschloch«, wiederholte er. »Irene ist eine anständige Frau. Sie hat das wirklich nicht verdient. Jetzt ver-schwinde lieber, solange es geht. Sollten wir aus Alaska angefordert werden, musst du noch heute Nacht ausrücken.«
    »Ich bin schon weg.« Noch im Gehen zog Rowan ihr Handy hervor und schickte eine SMS an ihren Vater.
    Ich habe ein paar Stunden frei. Wir treffen uns bei dir zu Hause. Ich koche! Muss dringend mit dir reden.
    Nun konnte sie nur noch hoffen, dass er ein paar Lebensmittel im Haus hatte. Sie schaute noch schnell bei den Baracken vorbei, griff nach ihrem Schlüssel und stellte sich dann in die offene Tür von Gulls Zimmer.
    »Ich habe mir ein paar Stunden freigenommen, um meinen Vater zu besuchen.«
    Gull schob sein Notebook zur Seite. »Gut.«
    »Es gibt da ein paar Dinge, die ich mit ihm bereden will. Unter vier Augen.« Sie klapperte mit ihren Wagenschlüsseln. »Wir müssen damit rechnen, für den Yellowstone und von Wyoming bis hoch nach Alaska angefordert zu werden. Vielleicht geht es schon vor morgen früh los. Ich werde nicht lange fortbleiben.«
    »Erwartest du, dass ich mich beschwere, weil du den Fliegerhorst ohne mich verlässt?«
    »Vielleicht ja.«
    »So bin ich aber nicht. Trotzdem hätte ich nichts dagegen, irgendwann einmal mit dir und deinem Vater Abendessen zu gehen. Vielleicht, wenn sich die Lage etwas beruhigt hat.«
    »Schon notiert. Bis später.« Sie klapperte erneut mit den Wagenschlüsseln. »He, mir ist gerade eingefallen, dass ich kaum noch Benzin habe. Kann ich mir dein Auto ausleihen?«
    »Du weißt ja, wo unser Treibstofflager ist.«
    »Ich musste das einfach fragen.«
    Sie musste ihn unbedingt überreden, sie seinen Wagen fahren zu lassen, bevor die Saison vorbei war. Das schwor sie sich, während sie auf ihr weitaus weniger aufregendes Auto zulief. Sie musste sich nur eine geeignete Strategie zurechtlegen.
    Kaum hatte sie den Fliegerhorst verlassen, fiel eine Riesenlast von ihr ab. Sosehr sie ihren Beruf auch liebte, war es doch eine Erleichterung, ihn vorübergehend hinter sich zu lassen. Endlich konnte sie etwas in sich gehen.
    Sie kannte ihre widersprüchlichen Gefühle: Hätte L. B. darauf bestanden, dass sie sich freinahm, hätte er sie von der Sprungliste gestrichen, würde sie sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren. Aber die paar Stunden Freizeit, die vor ihr lagen, waren wie ein Geschenk. Eines, bei dem sie sowohl Verpackung als auch den Inhalt selbst bestimmte.
    Sie musste wieder an die Campingausflüge mit ihrem Vater denken: Sie würden den Abend zu zweit verbringen, und sie würde kochen - in dem Haus, das sie die Hälfte des Jahres gemeinsam bewohnten. Nur sie beide, ein gutes Essen, gute Gespräche.
    In letzter Zeit war einfach zu viel passiert. So vieles an diesem Sommer erinnerte sie wieder an ihre Mutter, an all den Hass. Sie hatte ihn zwar zum größten Teil überwunden, aber ein kleiner Rest war zurückgeblieben. Den wurde sie nicht los.
    Vielleicht half ihr das ja, taff zu sein. Trotzdem hatte es sie auch ein Stück weit verhärtet. Benutzte sie ihre Vergangenheit als Vorwand, als Entschuldigung? Und wenn ja, war das dann klug oder dumm?
    Darüber wollte sie nachdenken. Am besten in Gegenwart des einzigen Menschen auf der Welt, der sie in- und auswendig kannte und dennoch liebte.
    Als sie vor dem schlichten weißen, zweigeschossigen Haus mit der großen Veranda hielt, blieb sie sitzen und starrte es mit offenem Mund an. Der Rasen war gelb von der langen Trockenheit, sogar im Schatten des großen alten Ahornbaums an der östlichen Grundstücksgrenze. Aber zu beiden Seiten der Verandatreppe wuchsen Blumen in einem braunen Mulchbeet. Blumenampeln hingen an den Verandapfosten und stellten rote und weiße Blüten sowie rankenden Wein zur Schau.
    »Ich sehe es zwar mit eigenen Augen«, sagte Rowan laut, während sie aus dem Wagen stieg. »Aber ich kann es trotzdem kaum fassen.«
    Ihr fielen die Sommer in ihrer Jugend wieder ein, in denen ihre Großmutter Töpfe bepflanzt, ja hinter dem Haus sogar einen kleinen Gemüsegarten angelegt hatte. Die Rehe und Kaninchen, die sie verflucht hatten, weil sie ihn jedes Jahr aufs Neue kahl

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