Sommerflimmern (German Edition)
Uni stiefeln, um so schnell wie möglich damit fertig zu werden. Architektur. Bauunternehmen. Eigentlich weiß ich es doch längst. Ich will das alles einfach nicht mehr. Plötzlich und immer schneller schwirren alle Gedanken durcheinander. ›S. Stein‹ fliegt vorbei, auch Alexander, Stahlbeton, Paps, selbst der Kobra-Keller und die Gitarre des ersten Stücks der Movie Star Junkies . Zum Schluss höre ich nur noch meine eigene Stimme, wieder und wieder: Ich würde gerne mal fließen.
»Juan?«
»Hm«, sagt er gedankenverloren, während er mit einer meiner Haarsträhnen spielt.
»Ich komme mit.«
»Wie bitte?!«
»Ich komme mit. Mit dir. Mit nach Barcelona.«
»Ist das ein Scherz?«
»Kein Scherz.«
»Charlotte, mach bitte keine Witze darüber … Meine Güte. Du meinst das ernst, oder?«
»Ja. Komplett. Hundert Prozent. Du wirst mich nicht los. Pech gehabt«, necke ich ihn, begeistert von meiner eigenen Idee.
Juan sieht mich prüfend an. Ich strahle. Das ist es. Ich gehe mit ihm mit. Wir werden zusammen sein. Ohne Abschiede an Flughäfen, ohne Skype, ohne E-Mails in Fluten, ohne Entbehrung.
Als Juan zu realisieren scheint, was ich ihm gerade eröffnet habe, springt er auf, zieht mich von der Bank und wirbelt mich in seinen Armen herum. Dann setzt er mich ab, gibt mir einen Kuss auf den Mund, streckt die Arme gen Himmel und ruft lachend: »Sie kommt mit! Mit mir!«
»Juan, nur so am Rande, wir sind hier auf einem Friedhof«, erinnere ich ihn. Dabei lache ich selbst viel zu laut und springe ihm anschließend auch noch in die Arme.
Unvermittelt hält er inne und sieht mich ernst an.
»Aber meine Wohnung wird sehr klein sein und essen gehen können wir nicht jeden Tag und –«
»Ist mir alles egal! Außerdem habe ich zum 18. Geburtstag einiges bekommen. Das reicht für mindestens ein Jahr. Hauptsache, wir sind zusammen, oder?«
»Ja. Auf jeden Fall. Trotzdem, bevor du es nachher bereust, muss ich dir noch eine Frage stellen. … Was willst du dort machen? Ich meine, ich werde viel an meinen Bildern arbeiten müssen. Meinst du nicht, dass du dich … langweilen könntest?«
»Und wenn schon, dann finde ich vielleicht endlich heraus, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen will. Andere nehmen sich nach dem Abi auch Zeit, um –«
»Hey, du musst dich vor mir nicht erklären. Ich will nur, dass du dort auch wirklich glücklich wirst.«
»Das werde ich. Mit dir.«
Ich stelle mir vor, wie ich durch Barcelona spaziere, während Juan arbeitet, und plötzlich fällt mir etwas ein, an das ich noch gar nicht gedacht habe.
»Oje. Ich kann ja gar kein Spanisch.«
»Englisch?«
»Klar.«
»Für Barcelona reicht das alle mal. Es ist ähnlich wie in Berlin, die Leute dort kommen von überall her. Und wenn du willst, bringe ich dir Spanisch bei. Lektion 1: A muerte!«, dabei lächelt er mich verwegen an.
»A mu-er-te. Okay. Und was heißt das?«
»Bis in den Tod«, flüstert er mir mit möglichst bedrohlicher Stimme in mein Ohr.
Wir prusten gleichzeitig los.
»Spinner …«, rufe ich lachend und stupse ihn in die Seite.
Ich denke schon, er ist beleidigt, als sein Lachen verstummt und er mich ernst ansieht.
»Oh, Mann, Charlotte, du bist … ich liebe dich.«
Er lehnt sich zu mir herüber, wir küssen uns. Erst frage ich mich, wie der nächste Kuss immer noch schöner sein kann als der vorherige, doch dann löst auch dieser Gedanke sich in Luft auf und ich küsse nur noch.
I n den kommenden Tagen lassen wir uns berauscht von unserem Glück durch das sommerliche Berlin treiben, fahren zum Schwimmen und Picknicken an den See, bummeln durch die Straßen, spazieren im Grunewald, sehen uns Stadtpläne und Bücher über Barcelona an und planen unsere gemeinsame Zeit in Spanien.
Als ich Anna von unseren Plänen erzähle, ist sie schwer begeistert und wir beschließen direkt, dass sie einen Teil ihrer Rucksack-Tour in Barcelona verbringen wird. Gemeinsam kaufen wir für mich, für Spanien, für mein Leben mit Juan ein. Ich habe mir vorgenommen, mit ihm zusammen abzureisen und später noch mal nach Berlin zu fliegen und einige meiner Sachen nachzuholen. Anna wird mir helfen und mich auf dem Rückweg nach Spanien begleiten.
Allerdings warten vorher noch ein paar schwere Aufgaben auf mich. Ich muss mit Alexander und meinen Elternsprechen. Und das Praktikum in England absagen. Das wird kein Spaß. Paps wird ausflippen, ganz sicher. Und Alexander … Es tut mir so leid.
B is zwei Tage vor unserer
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