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Sommerflimmern (German Edition)

Sommerflimmern (German Edition)

Titel: Sommerflimmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Krämer , Sophie Berger
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Arm weiter.
    »Hey … du musst dich doch nicht bedanken … Aber sag mal, weißt du denn jetzt, was es mit den Bildern deiner Mutter auf sich hat?«
    »Ja. Es ist unglaublich. Ich meine, sie muss die ganze Zeit einfach weitergemalt haben. Heimlich. Am Anfangihrer Krankheit war sie noch einmal in Berlin. Für drei Monate. Alte Freunde besuchen. Zumindest hat sie das gesagt. Aber offenbar war das nicht alles. Und der Miltenberg meinte, dass sie schon öfter Bilder von ihr ausgestellt haben. Seit Jahren! Ich verstehe das alles nicht …«
    »Weißt du, vielleicht ist das gar nicht so kompliziert. Dein Vater hat sie nicht gelassen, aber sie hat trotzdem weitergemacht. Sie hat sich irgendwie und irgendwo den Raum dafür geschaffen. Und ich finde das echt … bewundernswert. Ich bin mir sicher, dass sie eine besondere Person war. Erzähl mir noch mehr von ihr!«
    Juan lacht plötzlich laut auf.
    »Na klar, ich kann dir zum Beispiel erzählen, dass sie eine Freundin hatte, die ich noch nie gesehen habe. Louisa. Mit der hat sie sich regelmäßig getroffen. Angeblich … Oh, Mann, ich fasse es nicht!«
    Juan klatscht in die Hände und strahlt mich an. Ich sehe den Stolz in seinen Augen, als ihm klar wird, was seine Mutter unbemerkt von ihrer Familie zustande gebracht haben muss.
    Geschichten über seine Mutter, gemeinsame Erlebnisse, ihre Art, ihr Humor, alles, was ihm zu ihr einfällt, sprudelt plötzlich aus ihm heraus. Während wir ziellos durch die Straßen bummeln, höre ich gespannt zu, lache mit ihm über Anekdoten und staune, wie ähnlich er ihr zu sein scheint.
    »Ich sage dir, ich werde herausfinden, wer oder was ›Louisa‹ war. Und alles andere auch. Sobald ich nächste Woche in Barcelona bin, fange ich an.«
    Mein Magen zieht sich zusammen. Auch Juan merkt, was er da gerade gesagt hat. Er bleibt abrupt stehen. Ich gehe weiter. Jetzt ist es so weit. Er wird fortgehen. Ich will nichts davon hören und beschleunige meine Schritte ganz automatisch.
    »Charlotte! … Charlotte, warte! …«
    Seine Hand greift nach meinem Arm, hält ihn fest. Ich bin gezwungen stehen zu bleiben, sehe ihn aber nicht an, sondern blicke weiter die Straße runter.
    »Charlotte, hör mir bitte zu. Ich habe gestern einen Brief bekommen. Bevor ich nach Berlin gekommen bin, habe ich mich um ein Stipendium in Barcelona beworben. Ich habe die Antwort. Ich werde der Meisterschüler von Manuel Oro! Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das für mich bedeutet!«
    Ungefragt werfe ich ihm meine Antwort vor die Füße, bevor ich mich wieder losreiße und weitermarschiere.
    »Ich kann mir sehr gut vorstellen, was das bedeutet.«
    »Charlotte … jetzt renn nicht wieder weg!«
    Er folgt mir.
    »Was glaubst du denn, was es bedeutet?«
    Ich bleibe abrupt stehen. Wütend presse ich die Worte aus meinem Mund. »Es spielt doch ü-ber-haupt keine Rolle, was ich glaube.«
    Ich setze meinen Marsch mit verschränkten Armen vor der Brust fort, was gar nicht so einfach ist.
    Juan folgt mir weiter.
    »Charlotte, sieh mal, da vorne«, sagt er plötzlich.
    Ich bleibe stehen und schaue in die Richtung, in die er sieht. Aber da ist nichts. Nur ein paar parkende Autos und eine lange, rote Ziegelsteinmauer, die an einer Stelle von einem Tor unterbrochen wird. Er meint doch nicht etwa die Einschusslöcher in der Mauer? Die kenne ich schon, sind aus dem Zweiten Weltkrieg.
    »Was denn?!«, frage ich ungeduldig.
    »Bitte, Charlotte, komm mit.«
    Seine Hand schließt sich zaghaft um meinen Arm. Als ich mich nicht gegen sie wehre, führt er mich zum Tor, das weit geöffnet ist.
    »Am Ende des Friedhofs stehen ein paar Bänke, da haben wir unsere Ruhe«, sagt er.
    »Friedhof? Du spinnst wohl! Ich werde jetzt nicht …«
    »Bitte.«
    Ich zögere. Eigentlich wusste ich ja die ganze Zeit, dass er nach Spanien zurückgehen würde. Nur dachte ich, dass wir noch über einen Monat Zeit hätten. Und diese gemeine kleine Hoffnung, dass er vielleicht sogar doch in Berlin bleiben würde, hat sich mit jedem Treffen tiefer in meinem Kopf festgesetzt. Und in meinem Herz. Verdammt. Ich Idiotin. Dann soll er mir halt seine Abschiedsrede auf einem Friedhof halten, denke ich zynisch.
    »Also gut. Ist jetzt auch schon egal«, murmle ich genervt und enttäuscht.
    Der Friedhof überrascht mich, lenkt mich sogar kurz vom Grund unserer Anwesenheit ab. Riesige alte Bäume stehen auf beiden Seiten des Weges und zwischen den Gräbern, die zum größten Teil halb verwildert und zugewuchert

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