Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
welcher Art die Andeutungen sind, die Sie so beunruhigen. Was haben Sie getan, wodurch er Ihnen schaden kann?”
“Ach, Sie sehen die Sache viel zu dramatisch, Sir”, antwortete Annis leichthin. “Ich werde mich seiner zu erwehren wissen.”
Adam kam ein Verdacht, den er sogleich aussprach: “Hat die Sache mit mir zu tun, Madam?”
“Ja”, bekannte sie seufzend. “Er hat den Eindruck erweckt, er wolle Gerüchte über uns beide in die Welt streuen.”
“Er ist ein widerlicher Verleumder”, sagte Adam zornig.
“Ich pflichte Ihnen bei, Sir”, äußerte Annis.
“Sind wir schon Mittelpunkt irgendwelchen Klatsches geworden?”
“Nicht dass ich wüsste.”
“Und was wäre, wenn man behauptete, ich würde Ihnen den Hof machen?”, fragte Adam. “Sie wissen, dass ich mich sehr für Sie interessiere. Wir könnten den Schandmäulern den Wind aus den Segeln nehmen. Dann müssten Sie nicht mehr um Ihren guten Ruf fürchten.”
“Ich habe Ihnen bereits erklärt, warum ich keinen persönlichen Umgang mit Ihnen wünsche, Sir”, äußerte Annis steif.
“Ihre Begründung ist hinfällig, sobald Ihre Schützlinge nicht mehr in der Stadt sind.”
“Nein, denn ich werde weiterhin als Patronesse tätig sein. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, werde ich meine nächste Aufgabe in der Nachsaison in London wahrnehmen.”
Adam ergriff Lady Wycherleys Hände und fragte eindringlich: “Welche Einwände haben Sie noch gegen eine persönliche Beziehung zu mir?”
“Etliche”, antwortete Annis und hatte das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen. “Ich liebe meine Unabhängigkeit.”
“In diesem Punkt könnte ich Sie anderen Sinns machen.”
Stirnrunzelnd dachte Annis daran, dass ihm das sicher gelingen werde, erwiderte jedoch kühl: “Sind Sie nicht etwas zu sehr von sich eingenommen, Sir?”
“Vielleicht”, gestand er auflachend. “Welche anderen Gegenargumente haben Sie noch?”
“Ich habe Sie vorhin mit Ihrer Mätresse gesehen.”
“Wahrscheinlich meinen Sie Miss Mardyn”, vermutete Adam. “Sie irren sich indes. Ich habe keine Geliebte. Also können Sie nicht mich mit ihr gesehen haben.”
“Dann entschuldigen Sie bitte”, murmelte Annis betreten und entzog ihm ihre Hände. “Gleichviel, ich begreife nicht, warum Sie mir den Hof machen wollen. Wir kennen uns doch kaum!”
“Das bedeutet keineswegs, dass wir unsere Bekanntschaft nicht vertiefen könnten”, entgegnete Adam lächelnd. “Ich habe den Eindruck gewonnen, dass ich Ihnen nicht unsympathisch bin.”
“Sie wissen genau, dass ich ein Faible für Sie habe, Sir.”
“Dann erlauben Sie mir, um Sie zu werben.”
Annis erinnerte sich daran, wie eingeengt sie sich in der Ehe mit John vorgekommen war, und sagte entschieden: “Es tut mir leid, Sir, aber ich kann Ihnen diesen Wunsch nicht gewähren. Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss weiter.”
Adam blickte ihr hinterher und sah sie nach einem Moment kurz zu ihm zurückschauen. Rasch verneigte er sich und wusste, dass sie sich eines anderen besinnen würde, auch wenn er jetzt hatte nachgeben müssen.
8. KAPITEL
S ir Robert Crossley hatte seine Nichten abgeholt und Annis das ausstehende Honorar gezahlt. Kurz nach seiner Abreise war Sibella eingetroffen und hatte strahlend verkündet, sie fände, Annis habe sich eine Belohnung verdient, weil sie die grässliche Miss Fanny nicht eigenhändig erwürgt hatte. Auf Annis’ verblüffte Frage, was sie meine, hatte Sibella geantwortet, sie lade sie ins Dampfbad ein. Begeistert hatte Annis die Einladung angenommen und beim Betreten des “Crown” festgestellt, dass bereits viele Gäste anwesend waren.
Mr. Thackwray, der für seine Schwefelbäderkuren die gesamte erste Etage des Hotels angemietet hatte, führte die Damen in eins der durch Ruheräume verbundenen Badezimmer, in dem zwei Holzzuber standen. Es roch nach Schwefel, und in der dampfigen Luft fiel das Atmen schwer. Eine Bedienstete half Annis und ihrer Cousine beim Auskleiden und zog sich dann mit der Bemerkung zurück, sie werde in einer Stunde zurückkommen und den Damen beim Ankleiden zur Hand gehen.
Annis und Sibella streckten sich in den mit heißem Wasser gefüllten Wannen aus. Wohlig seufzend entspannte sich Annis und schloss die Augen.
“Bist du froh, die Geschwister Crossley nicht mehr um dich zu haben?”, fragte Sibella schläfrig.
“Oh, ja, sehr!”, antwortete Annis wahrheitsgemäß. “Miss Fanny ist mir mit ihrer Durchtriebenheit und ihrem Dünkel
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