Sommerfrost - Die Arena-Thriller
»Viola hatte mir von Jan erzählt. Dass sie in ihn verliebt war. Und er in sie. Sie er zählte mir, dass er so klug und so anders war als alle, die sie kannte. Ich war eifersüchtig, das gebe ich zu.« Leander sah ihr fest in die Augen. Dann fuhr er fort. »Viola erzählte mir eines Tages, dass sie im Wald übernachten wollten. Wir hatten in un serer Bäckerei gerade frische Hörnchen gebacken. Es roch wun derbar . . . magst du frische Hörnchen?« Lyra nickte. Aber er sollte jetzt endlich weitererzählen. »Wir setzten uns also auf die Mauer vor unserer Bäckerei und Viola erzählte mir, dass sie eigentlich Angst habe, mit Jan da im Wald zu übernachten. Er wollte nämlich unbedingt mit ihr schlafen und sie sei sicher, dass er es im Zelt wieder versuchen wollte. Aber sie war noch nicht bereit dazu. Warum gehst du dann überhaupt hin, habe ich sie gefragt. Weil ich ihn mag. Ich will ihn nicht verlieren, hat Viola geantwortet. Wenn er dich liebt, dann versteht er dich, habe ich ihr erklärt und ihr vorge schlagen, nicht zu Jan zu gehen und bei mir zu bleiben. Na ja, sie wollte ihn unbedingt sehen.« Leander zuckte die Schultern. Er sah auf einmal traurig aus, fand Lyra.
»Bevor dann der Tag kam, ging die Scheidung meiner Eltern durch und ich zog mit meiner Mutter weg. Und ich habe nichts mehr von ihr gehört. Erst Jahre später – das habe ich dir ja schon erzählt – habe ich gehört, dass Viola und Jan verschwun den waren.« »Jan war auch verschwunden?«, fragte sie überrascht. Er nickte. »Aber ja!« In Lyras Kopf überschlugen sich die Gedanken. Dann war Viola vielleicht mit Jan abgehauen? »Von einem Autounfall hast du nichts gehört?«, wollte sie wis sen. Er schüttelte den Kopf. »Nein.« Er seufzte und sah Lyra mit erns ten Augen an. »Ich weiß, es ist schwer für dich, aber einen Auto unfall hat es nie gegeben. Es tut mir leid, Lyra, aber den haben deine Eltern erfunden.« Einmal mehr durchfuhr Lyra ein stechender Schmerz. Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich ihrer Mutter gegenüber verhalten sollte. Aber zuerst einmal musste sie alles wissen. »Und ist Jan irgendwann wieder aufgetaucht?«, fragte sie wei ter. Er schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, nicht. Seine Mutter soll am Boden zerstört gewesen sein. Tag und Nacht hat sie auf ihn gewartet. Aber ihr Sohn kam nicht mehr.« »Dann sind sie also beide weggegangen.« Lyra dachte nach. Jetzt erinnerte sie sich wieder an die Tage des Wartens auf Vio la. Da wussten ihre Eltern schon, dass ihre Tochter von zu Hau se weggelaufen war. Was für eine verrückte Geschichte, dachte Lyra. »Das Leben kann ganz schön verrückt sein, was?«, sagte Lean der und sah sie an, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. »Was denkst du?«, fragte sie und spürte, dass sein Händedruck fester wurde.
»Du erinnerst mich total an deine Schwester. « Lyra dachte an das im Computer generierte Foto. Familienähn lichkeit . »Du bist genauso schön. « Sie merkte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss. Was sollte si e darauf erwidern? Themenwechsel ! »Warst du nicht wütend auf Jan?«, fragte sie . »Na ja, ein bisschen schon.« Er lächelte. »Aber ich war nun ma l zu schüchtern, um Viola zu überzeugen, dass ich die besser e Wahl wäre. « Unverhohlen musterte Lyra Leander. Schüchtern wirkte e r nicht, eher etwas zurückgezogen. Aber das alles war ja scho n zehn Jahre her . »Und was hast du all die Jahre gemacht? Wie bist du Schiffskoc h geworden?«, fragte sie. Nun wollte sie seine Geschichte hören . »Willst du es wirklich wissen? « Lyra nickte . Er holte tief Luft und begann: »Na gut. Also, mein Vater dacht e zuerst, ich käme als Lehrling zu ihm zurück. Aber ich wollt e nicht Bäcker werden. Weißt du, dass Bäcker um zwei Uh r nachts anfangen, Brote zu backen? « Klar wusste sie das. Manchmal, wenn sie ganz frühmorgens vo n einer Reise zurückgekommen oder durch die Stadt gegange n waren, da war ihr frühmorgens der Duft frischen Brotes in di e Nase gestiegen . »Dann habe ich im Fernsehen einen Film über das Leben auf ei nem Frachter gesehen. Das hat mir gefallen. Und so bin ich zu r See gefahren. « »Wie ein richtiger Matrose siehst du nicht aus«, bemerkte sie . Er lachte. »Ich war ja auch Schiffskoch! « »Hast du auch etwas anderes gekocht als Bohnen mit Speck? « »Was? So was hab ich nie gekocht! Die Besatzung wollte gu t verpflegt werden. Du weißt ja gar nicht, wie wichtig das ist. Na ja, heute sterben die Leute nicht mehr an Skorbut, aber
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