Sommerfrost - Die Arena-Thriller
etwas gefunden. Und ich muss unbedingt mit dir darüber reden«, flüsterte sie. »Was hast du gefunden?« »Violas Tagebuch.« Lyra lauschte. Keine Antwort. »Leander?« »Ja, ich bin noch da! Du musst es mir unbedingt zeigen! Wir müssen uns treffen. Gleich in der Stadt, an der Plaza de los Naranjos?« »Ja, aber ich bin ein bisschen weiter weg.« »Wo bist du denn?«
»Ach, ich bin...«Sie zögerte, nein, es wäre besser, wenn nur si e und Patrick wussten, wo sie war. »Also in einer halben Stunde? « »Okay, bis dann.« Er legte auf . Hastig griff Lyra nach Tigers Leine, ließ den Blick durch die Be hausung streifen, las noch einmal leise vor sich hin murmeln d die Verse des Gedichts und machte sich dann auf den Rückweg .
»Schon zurück?«, fragte Patrick erstaunt . Sie berichtete ihm von Leanders Anruf. »Ich bin gespannt, wa s er über diesen J. weiß«, fügte sie hinzu . Aus dem Haus drang irgendeine altmodische Musik, wie bei Da niel. Da tauchten zwei kleine Jungen hinter Patrick auf un d plärrten: »He, Patrick, komm schon, spiel mit uns!« Patrick ver drehte die Augen . »Ich muss jetzt los. Danke, Tiger. « »Pass auf dich auf!«, sagte Patrick noch . Sie nickte und machte sich mit einem leichten Kribbeln in de r Magengegend auf den Weg zum Treffpunkt . Trotz der vielen Touristen, die überall an den Restaurantti schen unter den Orangenbäumen saßen, entdeckte Lyra Lean der sofort. Er lehnte an einer Hauswand. Als er sie kommen sah , hob er die Hand und begrüßte sie mit zwei Küsschen auf di e Wangen. Lyra durchrieselte wieder ein Schauer. Lyra, d u spinnst doch, sagte sie sich, das sind ganz normale Begrü ßungsküsse, wie sie sich hier alle geben. Und eine leise Stimm e in ihr warnte sie. Sie wusste doch immer noch nicht, ob er wirk lich die Wahrheit sagte. Auch wenn sie es so gerne wollte – dass ihre große Schwester noch am Leben war ! »Komm, wir gehen da rüber, da ist es ruhiger.« Leander deutet e nach links . Sie folgte ihm durch eine kleine Gasse, die an einem winzige n Platz bei einer alten Steinmauer endete. Davor wuchs ein Granatapfelbaum. Sie setzte sich neben ihn auf die Felsbrocken un ter den Baum. Obwohl sie sich nicht weit von den belebte n Straßen entfernt hatten, glaubte man hier, an einem ganz ande ren Ort zu sein. Es war still bis auf das Zwitschern eines Vogels , der oben irgendwo im Baum sitzen musste. Unwillkürlich dach te sie daran, ob jemand ihr Schreien von hier hören könnte . Aber was für ein Unsinn, es musste mit ihrem Ausflug zur Bau ruine zu tun haben . . . Leander zeigte auf eine mit blühenden Hängepflanzen bewach sene Steinmauer. »Die stammt von einem alten Wachturm . Überall an der Küste stehen sie. Von dort konnte man die See räuber, die hier oft anlegten, schon frühzeitig kommen sehen. « Lyra war jetzt nicht nach Geschichtsunterricht zumute . »Ich habe Violas Tagebuch gefunden«, sagte sie . Er lächelte entschuldigend. »Natürlich. Es fiel mir nur gerade s o ein. « »Meine Mutter hatte es die ganze Zeit und hat mir nie etwas da von gesagt.« Lyra betrachtete ihn. Wie würde er reagieren , wenn sie diesen J. erwähnte? War er J.? Dann müsste er auc h wissen, was damals im Wald passiert war . »Was siehst du mich so an, Lyra? Ist etwas? « Jetzt würde sie ihn fragen. »Kennst du einen J.? « »J.? Was ist das? Ein Name? « War er eben zusammengezuckt oder hatte sie sich das nur ein gebildet ? »Ja, der, in den Viola verliebt war. « »Stimmt«, sagte er langsam, »ich erinnere mich.« Ein Schatte n legte sich über Leanders Augen . »Du kanntest ihn also?«, fragte sie lauernd . »Na ja«, er stieß einen Seufzer aus und strich sich eine blond e Strähne aus der Stirn. »Persönlich nicht, aber Viola war gan z verrückt nach ihm – und nach seinen Kaninchen. «
Davon weiß er also auch, dachte Lyra. Er schüttelte den Kopf. »Jan. An seinen Nachnamen erinnere ich mich nicht. Aber – was schreibt sie über ihn?« Jan, also. Lyra merkte, wie sie erneut ein Schauer durchrieselte. Sie erzählte ihm von den Nachmittagen im Gartenhaus und von Violas Ausflug in den Wald. Und dass danach die Tagebuchein träge aufhörten. Leander sah sie entsetzt an. »Es kommt mir vor, als wäre es ges tern erst passiert!« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss es dir er zählen.« Es fällt ihm wirklich schwer, darüber zu reden, dachte Lyra. Er nahm ihre Hand in seine. »Hör zu: Ich habe dir gesagt, dass meine Eltern eine Bäckerei hatten.« Lyra nickte.
Weitere Kostenlose Bücher