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Sommerfrost - Die Arena-Thriller

Sommerfrost - Die Arena-Thriller

Titel: Sommerfrost - Die Arena-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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weiß ja nie, dachte sie und verpackte es in einem Handtuch, bevor sie es in ihre Tasche gleiten ließ. Zehn Minuten später war Lyra mit Tiger an der Leine auf dem Weg zur Bauruine.

ZWEIUNDZWANZIG
    L yra hatte die Altstadt schon weit hinter sich gelassen. Der Weg war doch länger, als sie gedacht hatte. Obwohl es schon dämmerte, war es immer noch heiß. Sie schwitzte und Tiger hechelte mit langer Zunge. Endlich hatte sie die Unterführung erreicht, den Tunnel, der unter der Autoschnellstraße durch führte. Ein paar Autos fuhren an ihr vorbei. Ein Fahrer hupte und ließ das Fenster herunter. »Kann ich dich mitnehmen?«, fragte er. Er trug eine blaue Kappe und hatte ein ölverschmiertes Gesicht. »Nein, danke, ist nicht weit!«, gab sie zurück und ging weiter. Niemals würde sie bei einem Fremden einsteigen. Auch nicht mit Hund. Das hatte ihr ihre Mutter eingeschärft. Sie dachte an Viola, wie sie mit dem Fahrrad und ihrem Gepäck in den Wald gefahren war. Lyra erinnerte sich kaum noch an den Wald in der Nähe ihres Ortes. Wenn sie an ihn dachte, dann sah sie dicht stehende dunkle Bäume vor sich, hörte geheimnisvolle Vogel-laute und hatte den Geruch vermodernden Laubs in der Nase. Eine Gänsehaut überlief sie. Doch ihre von Gebüsch überwachsene Bauruine war auch nicht unbedingt einladender. Dennoch, irgendetwas zog sie dorthin. Als versteckte sich dort die Antwort auf ein Geheimnis. Die letzten Meter durch das hohe Gras, über Kabel und Metallgitter fielen besonders schwer. Sie musste aufpassen, dass Tiger nicht in einen scharfen Gegenstand trat. Schweißgebadet betrat sie den Raum des Scherenschleifers und schaltete die Taschenlampe ein. Merkwürdig, alles war noch da. Der Scherenschleifer musste wohl Hals über Kopf geflohen sein – oder – ihr stockte der Atem – oder er war gar nicht weg . . . Sie war froh, dass sie Tiger dabeihatte, an das Küchenmesser in ihrer Tasche mochte sie gar nicht denken. Tiger begann gleich, die Behausung zu untersuchen und schnüffelte überall herum, an dem Altar mit dem Foto und der Kette, in der Ecke mit dem Schlafsack, an der Kaffeemaschine. Langsam ließ sie den Lichtstrahl über die Wand gleiten, bis der Lichtkegel auf die Stelle fiel, nach der sie gesucht hatte. Lyra trat näher heran. Aber das waren ja gar keine Zeichen, das waren Buchstaben, ganze Sätze. Sie sahen ein wenig krakelig aus, sie waren wohl mit einem spitzen Gegenstand eingeritzt worden, aber es waren eindeutig Sätze.
    Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. Auf welches Instrument sind wir gespannt? Und welcher Geiger hat uns in der Hand? Oh süßes Lied.
    Ein Liebesgedicht. Mein Gott, dachte Lyra, der war ja wirklich ganz schön in Pia verknallt. Ein Knurren ließ sie aufhorchen. »Tiger, was ist?« Sein Knurren wurde lauter. »Psst, Tiger, komm her!«, flüsterte sie und duckte sich. Es hörte sich an, als schlüge jemand mit einem schweren Gegenstand gegen eine Mauer. Oh, Gott, der Scherenschleifer! In ihrer Fantasie sah sie ihn schon mit scharfen, blitzenden Messern hereinkommen. Sie drückte sich dichter an Tiger, der immer noch leise knurrte. »Ganz still, Tiger!«, flüsterte sie wieder und reckte sich, um aus der Fensteröffnung hinauszusehen. Es war dunkel geworden. Ein schwacher Lichtschimmer erhob sich über der Stadt. Sie konnte niemanden entdecken. Vielleicht schlug der Wind ein Kabel oder einen Ast an die Wand? Sie tastete nach ihrem Messer in der Tasche. »Ist jemand da draußen?«, flüsterte sie Tiger ins Ohr. Natürlich verstand der Hund sie nicht und antworten konnte er erst recht nicht, aber ihre eigene Stimme beruhigte sie. Im Notfall, wusste sie, würde Tiger sie retten, auch wenn er ein freundlicher Labrador war. Das Geräusch veränderte sich nicht. Es war bestimmt der Wind. Es musste der Wind sein! »Tiger, kannst du mir sagen, wer mich auf diese verrückte Idee gebracht hat?«, seufzte sie. Tiger sah mit schräg gelegtem Kopf zu ihr auf. Der Wind rauschte, schlug Zweige und Kabel an die Mauern, pfiff durch Ritzen und Risse. Ein Eisengitter zitterte und machte dabei seltsame, metallische Geräusche. In diesem Moment klingelte Lyras Handy. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. »Lyra?« Sie erkannte Leanders Stimme. »Ich habe die ganze Zeit auf deinen Anruf gewartet!«, rief sie ins Telefon und erschrak über die Lautstärke. »Du hast auf mich gewartet?«, fragte er überrascht. »Ja, ich habe

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