Sommerfrost - Die Arena-Thriller
schneller wirbelten die Bäu me um sie herum und schienen auf sie zuzustürzen, die Stimmen der Vögel wurden zu ohrenbetäubendem Kreischen, während sich Leanders Gesicht verzerrte. Jetzt wurde es ihr klar. Einzelne Sätze und Wortfetzen aus Violas Tagebuch hallten in ihrem Kopf.
Als es angefangen hat zu regnen, sind wir ins Gartenhaus gegangen. Da war es gemütlich... dicke Decken, in die man sich einwickeln kann... Ganz nah haben wir nebeneinander gesessen...hat er ange fangen, meinen Arm zu streicheln...Auf dem rechten Oberarm hat er ein Tattoo. Es ist kein richtiges Bild, eher ein Zeichen...
Das Tatoo sah genau so aus wie die Zeichnung in Violas Tage buch . »Ich will jetzt gehen«, brachte sie heraus. Wo war ihr Handy ? Da, in der Tasche . »He, wir haben uns doch gerade erst hingesetzt.« Sein Grinse n wurde immer schauriger . Lyra brach der kalte Schweiß aus. Wie sollte sie jetzt bloß vo n hier wegkommen? »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie mit ge spielt gelassener Stimme und wollte aufstehen, um nach ihre r Tasche zu greifen, doch Leander war schneller. Blitzschnell um fasste er ihr Handgelenk und zog sie wieder zu sich herunter . »Warum auf einmal so hektisch? « Sie stammelte irgendetwas, doch plötzlich sah sie ein, dass e r ihr nicht glaubte . »Du bist . . .«, sie musste schlucken. »Du bist nicht Leander« , flüsterte sie .
Sein Grinsen wurde breiter. »So, so, und wer bin ich dann?« »Du bist . . . Jan«, sie konnte kaum noch sprechen. Er brach in lautes Lachen aus. »Du hast lange gebraucht, Süße!« »Du bist mit Viola in den Wald gegangen!« Weiter konnte sie nicht denken. Ihr Gehirn war blockiert. Sie war völlig gelähmt. Da warf Leander sie auch schon zurück auf den Boden, kniete sich über sie und presste ihre Handgelenke auf die Erde. Sein Ge sicht war eine hässliche Fratze geworden und Lyra begriff in die sem Moment, dass sie ihm völlig hilflos ausgeliefert war. Nie mand war hier, der ihr helfen konnte. Niemand wusste, wo sie war. Sie hatte niemandem Bescheid gegeben und die Tasche mit ihrem Handy lag nur eine Armlänge von ihr entfernt...Was für ein Hohn! Sie musste Zeit schinden, ihn ablenken, ihn in ein Ge spräch verwickeln – aber was zum Teufel sollte sie nur sagen? »Wo ist Viola?«, brachte sie heraus. Er lachte höhnisch. »Viola, Viola! Gute Geschichte, was? Du klei nes, dummes Luder!« Wie hatte sie sich nur so täuschen lassen können? »Alles Lügen also«, sagte sie und wunderte sich über ihre Ruhe. Er lachte aus vollem Hals. »Es hat verdammten Spaß gemacht mit dir! Du hast alle meine Geschichten so gierig aufgesogen! Du bist genauso wie deine Schwester!« Der Schiffskoch, die Reisen, alle Geschichten, die er ihr aufge tischt hatte...Wie hatte sie nur auf ihn reinfallen können! Wa rum nur war ich so blind?, schrie es in ihrem Kopf. Und dann kam ihr wieder eine Passage aus Violas Tagebuch in den Sinn:
Du willst doch Umweltschützerin werden . . . Ich habe einen Chemie-kasten...Wir sammeln Käfer und Insekten... nehmen ein Zelt mit und einen Kompass und Proviant. Natürlich müssen wir übernach ten...
Sie musste Klarheit schaffen, egal wie schrecklich die Wahrheit sein würde. »Was hast du mit ihr gemacht, damals im Zelt, im Wald?«, fragte sie und ihre Stimme zitterte nun doch. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Ich war wütend! Glaubst du mir das? Sie wollte nicht mit mir schlafen! Dabei hat sie mich stundenlang im Gartenhaus ge küsst! Ich war so wütend, dass ich allen Kaninchen die Kehlen durchgeschnitten habe!« Er lachte teuflisch. »Die Kaninchen hat Viola nämlich besonders gemocht!«
Sie haben so wunderbar weiches weißes Fell. Und ihre kleinen Schnäuzchen zittern immer so!, hatte Viola geschrieben. »Du bist krank!« Wütend schleuderte Lyra ihm ihre Worte ins Gesicht. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Viola war tot. »Du hast Viola umgebracht.« Wieder sein hässliches Grinsen. »Sie ist mit mir zum Zelten. Es war doch klar, dass wir miteinander schlafen würden! Ganz klar! Und dann hat sie angefangen zu schreien! Sie hat angefan gen zu schreien, als ob ich ein Monster wäre!« Die Adern an seinen Schläfen traten dick hervor. Sein Körper wurde immer schwerer. Und immer fester drückte er ihre Handgelenke auf die Erde. »Das bist du auch!«, schleuderte sie ihm entgegen und bereute es sogleich, denn er hob die Hand, holte aus und schlug ihr ins Gesicht. Ihr Kopf flog zur Seite. Sie spürte einen brennenden Schmerz auf ihrer
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