Sommergayflüster
welche Frau sich so seltsam freute. Jedoch wollte ich nicht darauf warten, dass jemand herauskam und mich dann höchstwahrscheinlich dämlich anstarrte.
Ich verschloss meine Wohnungstür und sah dann in den großen Spiegel, der im Flur hing.
„Scheiße!“, erschrak ich bei meinem Anblick. Mein Gesicht war schweißüberströmt. Schnell waren das Shirt und die Boxerstiefel ausgezogen und das Eingekaufte im Kühlschrank verstaut. Kurz rieb ich mir über die Augen. Die Müdigkeit packte mich, was aber auch kein Wunder war, denn wegen der Hitze hatte ich in der Nacht kaum geschlafen. Da es noch recht früh war – kurz vor zwölf Uhr – wollte ich mich noch ein wenig ausruhen. Ich machte es mir auf der Couch gemütlich und schloss die Lider. Mein Bein zuckte ein wenig – ein Zeichen dafür, dass ich total erschöpft war.
„Nur für eine Stunde“, nuschelte ich und wachte 420 Minuten später mit dem Kissen in der Hand wieder auf. Es war mysteriös. Im Schlummern war ich echt unschlagbar.
Langsam richtete ich mich auf und streckte mich ausgiebig. Plötzlich vernahm ich erneut Stimmen – sie kamen von draußen. Eigentlich wollte ich Musik anmachen, aber meine Neugier siegte. Ich spähte zum Küchenfenster hinaus und erblickte einen Umzugswagen. Man hörte viel Gequatsche, doch bis auf das Kind, das ständig auf und ab hüpfte, konnte ich niemanden ausmachen. Ungewollt ließ ich laut einen knattern, woraufhin irgendeine Type anfing zu lachen. Peinlichst berührt wich ich schnell vom Fenster zurück. Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass man es gehört hatte. Mir passte es auch nicht, dass die neuen Nachbarn ein oder gar mehrere Kinder zu haben schienen, denn aus Erfahrung wusste ich, Kinder veranstalten manchmal einen Wahnsinnskrach. Die ehemaligen Hausbewohner hatten auch welche gehabt, und immer, wenn die Familie draußen in ihrem schicken Garten gesessen hatte, hatte man sie kreischen gehört. Nichts gegen Kinder, ich war ja selbst mal eines, aber einige hörten sich so an, als ob sie jemand mit einem Hackebeil abschlachten würde. Ja, manchmal, nur manchmal, da wünschte ich mir echt, im Besitz einer Schusswaffe zu sein.
Aus heiterem Himmel bekam ich schlechte Laune. Zurück im Wohnraum machte ich Musik an. Umgeben von wunderschönen Klängen begann ich, ein Bild zu zeichnen. Der laute, fette Beat vibrierte unter meinen Füßen, und der krasse Gitarrensound ließ fast meine Haare flattern – so, wie ich es mochte. Meine Mundwinkel gingen weit nach oben.
***
Der nächste Morgen brach an, und es war noch heißer als am Vortag. Die Arbeit fiel mir dementsprechend schwer. Gegen zehn Uhr vernahm ich ein leises Klopfen.
Wer ist das denn?, fragte ich mich und legte die Zeichenkohle zur Seite. Vielleicht ein Auftragskiller, bangte ich im Geiste. Ja, wahrscheinlich schaute ich zu viele Horrorfilme. Mit Bedacht schloss ich auf und öffnete die Tür einen Spalt. Eine Frau mittleren Alters mit kurzem, braunem Haar grinste mich verlegen an.
„Ja, bitte?“
„Ich störe nicht, oder?“, hoffte die recht kleine Person. Dabei war ich selbst nicht wirklich groß – gerade mal ein Meter siebzig.
„Nein“, gab ich mit einem unsicheren Lächeln zurück. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ich bin deine neue …“, sie hielt kurz inne, „ich darf doch Du zu dir sagen, oder?“ Mein Nicken zauberte ihr ein hinreißendes Grinsen ins Gesicht. „Freut mich. Ich bin Barbara, deine neue Nachbarin. Du kannst aber ruhig Babsi zu mir sagen.“ Sie reichte mir die Hand. „Darf ich fragen, wie du heißt?“
„Tom“, stellte ich mich vor.
„Hallo, Tom“, freute sie sich. „Wohnst du allein hier?“
In diesem Moment fragte ich mich, ob sie mich aushorchen wollte, um im passenden Augenblick meine Bude leer räumen zu können. „Jupp, und du?“
Überraschend fing sie an, zu lachen. Zwar nicht lange, doch es machte mir ein wenig Angst. „Nein“, kicherte sie. „Ich habe noch zwei Kinder, mit denen ich hier wohne.“
Ein entgeistertes „Oh“, flog mir aus dem Mund. Zwei Kinder, na klasse!
„Ja“, meinte sie. „Meine Tochter, die Daniela, und …“ Plötzlich hörten wir, wie die schwere Haustür im Erdgeschoss ins Schloss fiel. „Ich glaube …“, sie starrte zur Treppe.
Meine Hände verkrampften sich ineinander. Wer kam denn jetzt?
„Ach“, sagte Babsi erfreut. „Da ist er ja – mein Sohn!“
Zuerst erkannte ich nur den Rücken eines Typen, der unglaublich schnell die Treppe heraufgestürmt
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