Sommergayflüster
sieben, während ich schon fast auf die fünfzig zugehe.“
„Also, ich hätte dich jetzt auf höchstens vierzig geschätzt“, schleimte ich mich volle Kanne bei ihr ein.
„Du Charmeur“, sagte sie mit einem verlegenen Winken. „Gut, ähm …“, sie versank kurz in Gedanken. „Ich will dich dann auch nicht weiter stören. Wenn du etwas brauchst, dann weißt du ja, wo du uns findest – ne?“
„Okay.“ Ich verabschiedete mich mit einem Händedruck und schloss hastig die Tür. Meine Mundwinkel gingen ganz weit nach oben. Scheiße, war dieser Luc ein Süßer! Doch so wie ich mein Glück kannte, war er nicht schwul, und falls doch, dann hatte er einen Freund. Typen, die so aussahen, waren doch nie lange allein. Mein Freudestrahlen wollte dennoch nicht verschwinden. Was auch immer da in meinem Inneren passierte, es fühlte sich an, als ob etwas Kaltes durch meinen Bauch fließen würde. Es war merkwürdig, denn mein Gesicht glühte. Gut gelaunt ging ich zurück ins Wohnzimmer, machte die Musik ein wenig lauter und griff nach einer Zigarette. Dass es nicht gut war, von einer mutmaßlichen Hete zu schwärmen, wusste ich ja, dennoch tat ich es den ganzen Tag über. Selbst, als ich zu Bett ging, dachte ich nur über eine Person nach: Luc. War ich etwa verknallt?
***
Zwei Tage waren bereits vergangen, als ich das letzte Mal meine Behausung verlassen hatte. Achtundvierzig Stunden, in denen ich mich nur in meiner kleinen Bude aufgehalten und Bilder gezeichnet hatte. Eines davon war nicht geplant gewesen und würde auch nicht bezahlt werden, doch das Gesicht meines neuen Nachbarn wollte einfach nicht aus meinem Hirn verschwinden. Es war acht Uhr morgens, und ich wusste, dass ich wieder einkaufen gehen musste – zumindest, wenn ich etwas zu trinken haben wollte. Natürlich versuchte ich es hinauszuzögern, doch der Brand in meiner Kehle wurde unerträglich. Also griff ich nach einer hellen Stoffhose sowie Socken und einem weißen Shirt mit tiefem Ausschnitt. Nachdem ich meine Sneakers angezogen und meine Haare ein wenig gestylt hatte, nahm ich meine Geldbörse und stürmte aus der Wohnung. Im Hausflur war es unerträglich heiß. Getoppt wurde das von der stickigen Luft, die mir beim Öffnen der Haustür entgegenkam.
„Scheiße!“, fluchte ich und machte mich auf den Weg zum Supermarkt. Dauernd starrte ich auf meine schicken Schuhe und war mit den Gedanken irgendwie nur noch bei dem neuen Nachbarn. Urplötzlich grüßte mich jemand. Diese nette Stimme kam mir bekannt vor. Fragend blickte ich auf und blieb abrupt stehen. „Luc?“
Warum er mir ausgerechnet jetzt über den Weg laufen musste, war mir ein Rätsel. Zufall oder vielleicht doch Schicksal?
„Na“, grüßte er mich freundlich, „wie geht es dir?“
Kurz kratzte ich mich im Nacken und nahm Lucs unglaubliches Outfit unter die Lupe. Angefangen bei den echt hammeraffentittengeilen Sneakers, den – wohlgemerkt – weißen Socken, die er über die schlabbrige, graue Stoffhose gestülpt hatte, und dem engen Shirt.
„Ähm …“ Unanständige Gedanken wanderten durch meinen Kopf. Meine Freude, Luc gegenüberzustehen und mich mit ihm zu unterhalten, versuchte ich, mit aller Macht zu unterdrücken. „Gut, gut“, gab ich verlegen zurück. „Und selbst?“
„Der Schweiß“, stöhnte er, „der fließt mir bis in die Ritze.“
„Oh.“ So genau hatte ich das gar nicht wissen wollen. Sofort sprang mein Kopfkino an: Luc, der sich mit sexy Bewegungen auf der Straße auszog. Mir wurde immer wärmer. „Was ziehst du auch solch eine Hose an?“
„Trag ich oft“, klärte er mich auf. „Sind sehr bequem.“
„Und sehen gut aus“, schwärmte ich leise. „Steht dir, echt.“
„Ähm, bitte?“, fragte er und klang dabei so, als ob er kurz davor wäre, seine Faust in mein Gesicht zu rammen.
„Nichts … nur“, ich stockte, denn seine Miene wirkte ein wenig bedrohlich. „Ich habe solche Hosen nicht, wie du sie hast. Hätte ich aber gerne – wie auch immer.“ Seine Augenbrauen gingen immer weiter nach oben. Mein Herz begann, wie wild zu klopfen. Anscheinend hatte ihm seine Mutter nichts von meiner sexuellen Orientierung gesagt, und es war mir total unangenehm, dass er mich so prüfend anguckte. Mein Schwärmen der letzten Tage war vermutlich – wieder einmal – völlig umsonst gewesen.
Unerwartet lächelte er herausfordernd und studierte dabei meine Miene. Charmant zuckte er zweimal mit den Brauen.
Irgendwie verstand ich gar nichts
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