Sommergayflüster
der Nähe befindlichen Papageis, bis sie schließlich vor emotionaler Erschöpfung ein leichter Schlaf übermannte.
***
Als Sandro erwachte, war er allein. Er sah sich nach allen Richtungen um, aber Raffael war verschwunden. Er stand auf und klopfte sich den Sand von seinem Körper. Sein Blick streifte unwillkürlich über das Meer. In weiter Ferne war als kleiner Punkt ein Boot zu erkennen. War Paares doch länger hier gewesen, als er gedacht hatte? Hatte er sie etwa beobachtet?
Und wenn schon!, sagte er sich – es war ihm egal. Doch wohin war Raffael so plötzlich verschwunden?
Sandro zog sich rasch seine Unterwäsche an, bemerkte jedoch, dass Raffaels Klamotten am Strand fehlten. Auch sonst hatte er keine Fußspuren im Sand hinterlassen. Er musste also in das Boot gestiegen sein. Ein unangenehmes Gefühl überkam ihn. Abermals schaute er sich um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.
„Suchen Sie den Stricher?“
Erschrocken wandte Sandro sich um. Hinter ihm stand ein Mann, dessen äußeres Erscheinungsbild nicht gerade gepflegt wirkte. Er dachte einen Penner vor sich zu haben. „Was tun Sie hier? Diese Insel ist ein Privatgrundstück.“
Der Mann lachte nur hämisch und kam näher, ehe er vor ihm stehen blieb. „Ich weiß, und deshalb verschwinde ich auch ganz schnell wieder. Ich habe nur leider die Abfahrt des Bootes versäumt.“
„Das ist mein Angestellter Paares“, erklärte er wütend. „Sie können da nicht einfach so mitfahren. Haben Sie sich etwa auf das Boot geschmuggelt? Ich könnte Sie anzeigen!“
„Nur zu! Dann müssen Sie der Polizei aber auch sagen, dass Sie es mit einem Stricher getrieben haben. Das dürfte Ihnen jede Menge Ärger einbringen, vor allem, da Sie ja nur gut betuchte Kunden haben ... Ihr Ruf würde sich schnell herumsprechen und dürfte ruiniert sein.“ Jarche fuhr sich über die Stirn und wischte sich den Schweiß mit dem Handrücken ab. Übergangslos redete er weiter. „Raffael ist ein hübscher Bengel. Aber er ist auch eine Nutte. Er weiß genau, zu welchem Zeitpunkt er seine Reize einsetzen muss. Das ist wie ein Hebel im Gehirn, der plötzlich umgelegt wird. Hat er es Ihnen etwa nicht gesagt?“
Sandro schluckte. Raffael – ein Stricher?
Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder im Griff hatte und den Eindringling zurechtwies. „Hinter dem Felsen im Gebüsch befinden sich ein paar Motorboote. Nehmen Sie eines davon und fahren Sie zurück, woher Sie gekommen sind. Aber verschwinden Sie sofort von meiner Insel, haben wir uns verstanden?“
Er war vollkommen durcheinander. Viel zu viele Fragen drängten sich in seinen Kopf. Hatte der Fremde Raffael etwas angetan? Oder stimmten dessen Worte etwa? War das vielleicht das Geheimnis, weshalb Raffael ihn damals weggeschickt hatte?
Jarche lachte erneut spöttisch. „Wie viel Kohle haben Sie ihm eigentlich für seine Dienste bezahlt?“
„Hauen Sie endlich ab!“, schrie Sandro ihn noch aufgebrachter an.
„Ich mach mich ja schon vom Acker. Wenn Sie mir nicht glauben, dann sehen Sie sich doch mal auf der Promenade in Hafennähe um.“ Er zwinkerte Sandro bösartig zu, ehe er das Weite suchte und zu den Motorbooten ging.
Sandro blieb so lange stehen, bis der Mann die Insel verlassen hatte und in der Ferne nur noch als Punkt zu erkennen war.
***
Jarche betrat aufgebracht die Höhlenunterkunft. Raffael saß auf seiner Matratze und aß ein Stück Brot, beachtete ihn jedoch nicht.
„Wolltest mich an der Nase herumführen, was?“
Raffael sah zwar auf, tat aber so, als wüsste er von nichts.
„Du kannst mich ruhig ansehen, wenn ich mit dir rede. Ich habe vorhin die Bekanntschaft mit deinem Freier gemacht, diesem Sandro.“
Augenblicklich hörte Raffael zu essen auf. „Wie meinst du das?“ Er erhob sich und stellte sich misstrauisch vor Jarche.
„Ich bin dir heimlich gefolgt. Habe mich ebenfalls unbemerkt auf das Boot geschlichen. Gibt ja auch noch einen kleineren Frachtraum, den Paares benutzt. Und auf der Insel habe ich mich versteckt und euch dabei beobachtet, wie du es diesem Sandro gemacht hast – etwas, was du bei mir schon lange nicht mehr getan hast ... Deine Hand hat so geschickt gearbeitet.“ Sein Grinsen wurde bösartig.
„Halt den Mund!“, rief Raffael stinksauer. Doch Jarche kam erst so richtig in Fahrt.
„Sandro sollte wissen, mit wem er sich einlässt – mit einer männlichen Nutte! Na ja, um ehrlich zu sein, mit einer verdammt guten, männlichen Nutte.“
Am liebsten
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