Sommergewitter
mehr ankommen und sich entschuldigen. Weil ich ihm dann nämlich auch nicht mehr helfen kann!«
»Jetzt beruhig dich doch, Alexa!«
»Ich hab schon meine Gründe, Annika. Ich weiß, dass ihr meinen Freund Grobian nennt. Einige Leute haben mich schon drauf angesprochen, ob an dem Namen was Wahres dran ist! Ob mein Freund gewalttätig wäre und so! Das ist nicht schön, sich das anhören zu müssen, das kannst du mir glauben! Auch wenn er manchmal zu impulsiv ist – Florian ist der liebste Mensch, den ich kenne, der tut keiner Fliege was. Und deshalb warne ich euch: Wer es wagt, meinen Freund jetzt noch einmal so zu nennen, der kann echt was erleben!«
Jonas verdrehte nur die Augen, aber Steffi schien von Alexas Drohung regelrecht eingeschüchtert zu sein. Sie kniff ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, wandte sich um, lief ins Wohnzimmer und verschwand durch die Terrassentür in den Garten. Alexa blieb noch einen Moment und sah uns feindselig an. Dann rauschte sie hinter ihrer Schwester her.
Eine Pause entstand. Wir entspannten uns. Jonas nahm sich ein Glas aus dem Schrank, drehte den Wasserhahn der Spüle auf, füllte es, trank es in einem Zug leer und füllte es ein zweites Mal.
»Gott bewahre uns vor solchen teuflischen Weibern.« Jonas hob das Glas. »Wie gut, dass Annika nicht so ist, was, Rüdiger? Darauf trink ich. Prost!«
Ich lächelte ein bisschen, schielte zu Rüdiger hinüber.Der gab keine Antwort. Wahrscheinlich hatte er sich immer noch nicht wieder gefangen. Oder er dachte an die Szene beim Auto. Die war mir jetzt extrem peinlich.
»Wie spät ist es eigentlich?«, fragte ich, nur um etwas zu sagen, und drehte mich zur Küchenuhr um.
»Zwanzig vor neun«, antwortete Jonas frustriert.
Wieder gab es eine Redepause. Alexa und Steffi stritten im Garten, wir wussten nichts mehr miteinander anzufangen. Alles war so falsch.
Auf einmal sagte Rüdiger zu Jonas: »Ich habe Hunger. Du auch?«
»Bisschen.« Jonas war es offensichtlich unangenehm, in dieser Situation vom Essen zu reden, so nach dem Motto: Man lacht nicht auf einer Beerdigung.
»Soll ich uns mit dem Mofa schnell eine Pizza holen?«, fragte Rüdiger. Mir fiel auf, dass er sehr langsam und bedächtig sprach, so als fürchte er, dass sein Stottern jeden Moment wieder einsetzen würde.
Jonas zögerte, blickte in sein leeres Glas. »Von mir aus. Aber, du, Rüdiger, jetzt sag mal ehrlich: Du bist doch nicht wirklich weggefahren, oder?«
»G-glaubst du den Mist, den Alexa erzählt, jetzt auch?« Rüdiger starrte ihn an.
»Nein.« Jonas wandte sich zähneknirschend um, als wollte er sich überzeugen, dass Alexa und Steffi nicht mehr in der Nähe waren. »Aber wir müssen das Ganze noch mal in Ruhe durchsprechen«, fügte er ernst hinzu.
In Rüdigers Augen blitzte Panik auf. »W-wa-was willst du denn da noch b-b-b-besprechen?«, fuhr er Jonas an. Seine Stimme überschlug sich, seine Arme fuchtelten durch die Luft, seine Füße trampelten auf denBoden. So außer sich hatte ich ihn noch nie gesehen. »Mensch, Jonas, wie, wie, wie lange kennen wir uns?!«
Jonas biss sich auf die Lippe, gab keine Antwort.
»Wie lange?«, wiederholte Rüdiger. »M-m-meine Güte! Da, da, da kann man sich wohl ein b-b-bisschen vertrauen! Oder nicht?«
»Das tun wir doch«, verteidigte ich Jonas, aber Rüdiger wehrte mich mit einer hektischen Handbewegung ab.
»Jonas! Jonas, glaubst du den Mist?«, fragte er überdeutlich und unter größter Anstrengung, sich nicht zu verhaspeln.
»Neeeiin. Natürlich nicht.« Jonas wand sich, trat dann auf Rüdiger zu und legte ihm kameradschaftlich seinen Arm um die Schulter.
»Es wird sich alles a-a-aufklären«, sagte Rüdiger.
Er bemühte sich vergeblich, ruhig und selbstsicher zu wirken. Als er wenige Minuten später das Haus verließ und auf sein Mofa stieg, konnte man sehen, wie mitgenommen er war. Unsicher schlingernd wie ein Fahranfänger schlitterte er die Auffahrt hinunter.
Hoffentlich baut er jetzt keinen Unfall, dachte ich. Das fehlte uns noch!
Eine Weile blieb ich draußen vor der Tür, saugte die Ruhe des Abends in mich auf. Die Rosen dufteten, die alte Katze von Meiers kam, um sich von mir unterm Kinn kraulen zu lassen, die Straßen trockneten bereits, nur da und dort erinnerten Pfützen und abgerissene Zweige an das Unwetter.
Ich lauschte dem Schnurren der Katze. Am liebsten wäre ich selbst eine geworden.
Freitag, 21 Uhr
Unsere beiden Autos bogen in die Auffahrt. Ich richtete mich auf. Die
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