Sommergewitter
Wald.«
»Was?«, riefen wir wie aus einem Mund.
»Allerdings.« Alexa nickte und erzählte dann, Rüdigermüsse zwischendurch mit seinem Mofa weggefahren sein, denn als sie nach ihrem Streit mit Florian den Trampelpfad entlanggelaufen war, habe es nicht bei den vier Fahrrädern gestanden.
In meinem Kopf ratterte es.
Das
hatte er uns nicht gesagt!
»Unmöglich!«, rief Rüdiger. »Das Mofa hat die ganze Zeit da gestanden, ich hab’s nicht angerührt, ich war im Wald Holz sammeln! Du hast es übersehen, hast einfach nicht richtig hingeguckt!«
»Hab ich wohl, ich bin mir ganz sicher! Ich hab mich nämlich noch gewundert, warum du nicht bei deinen Freunden bist. Ich habe noch gedacht: Unglaublich, auch das Kleeblatt hat mal Zoff. Ja, ich habe mich sogar gefragt, ob’s daran liegt, dass ihr ausnahmsweise mal zu fünft wart. Vielleicht klappt das nur in Büchern mit den fünf Freunden.«
»Laber nicht, Alexa. Ich war im Wald und das Mofa stand da. Du . . . du hast es einfach übersehen!«
»Für wie blöd hältst du mich?«, rief Alexa eingeschnappt. »Wenn ich sage, es stand nicht da, dann stand es nicht da!«
»E-es st-stand d-d-doch da.« Rüdiger wurde rot.
Wir wussten alle, dass er es hasste zu stottern. Er hatte es schon lange nicht mehr getan. Schon gar nicht bei uns.
Bei uns, so hatte er immer gesagt, fühle er sich am allerwohlsten, da würde er nie stottern.
»O Mann«, fluchte Jonas leise. »Lassen wir’s. Wir kriegen’s eh nicht raus.«
»Meinetwegen«, lenkte Alexa ein, fügte aber trotzighinzu: »Aber ich weiß doch, was ich gesehen habe und was nicht.«
Rüdigers Gesicht glühte. Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, brachte aber nichts heraus.
Ich konnte nicht anders. Ich versuchte eine vermittelnde Geste, berührte Rüdigers Schulter, sagte: »Hey, ist ja gut.«
Er schnaufte, schob meine Hand aber nicht weg. Er stand einfach nur da und rang nach Atem.
Alexa sah jetzt, was sie angerichtet hatte. Sie senkte den Kopf, fixierte ihre Füße, zog die Zehen in den offenen Sandalen an, entspannte sie wieder. Trotz ihrer Verlegenheit konnten wir sehen, wie es in ihr brodelte. Sie war sich sicher, die Wahrheit gesagt zu haben.
»Vielleicht lügt Rüdiger.« Steffis Bemerkung schlug ein wie eine Bombe.
»I–i–ich lüge nicht!«
»Verdammt noch mal, Steffi!«, schimpfte ich.
»Wie kannst du’s wagen, so was zu denken?«, brüllte Jonas.
»Was denke ich denn so Schlimmes?«, schrie sie. »Ich ziehe nur die einfachsten Schlüsse! Nur weil wir Freunde sind, kannst du mir nicht verbieten, mein Hirn einzuschalten! Ich bin eben nicht so gutgläubig wie Annika! Ich habe meine schlechten Erfahrungen schon gemacht, Jonas!«
»Ach, du denkst einfach nicht nach! Was willst du denn immer sagen mit solchen Bemerkungen wie: ›Rüdiger war aber lange im Wald‹? Da müssen doch jedem die Ohren klingeln! Sollen wir Alexa auch mal fragen, wo Florian hingegangen ist?!«
Alexa horchte auf. »Wieso?«, fragte sie schneidend.
»Steffi ist unsere Kommissarin und wir sammeln gerade Alibis«, sagte Jonas, jetzt richtig in Fahrt. »Dein Freund ist doch beleidigt abgehauen. Wann war das? Wo ist er hin? Kann Florian-Grobian beweisen, dass er die ›süße Maus‹, wie er Ginie genannt hat, in der Zwischenzeit nicht vernascht hat?«
Das war heftig. Schnell warf ich Jonas einen Blick zu, wollte ihn stoppen, aber zu spät, es war heraus und Alexa konterte prompt: »Steffi, ist das etwa auf deinem Mist gewachsen?«
»Nein!«, piepste Steffi wie ein kleines Mädchen, das ausgeschimpft wird, und trippelte von einem Fuß auf den anderen. Sie wirkte auf einmal so verletzlich wie einige Stunden zuvor im Auto.
»Denkt doch mal nach, Leute«, versuchte ich zu besänftigen. »Wir machen uns große Sorgen, aber wir dürfen uns nicht gegenseitig bekriegen. Keiner von uns glaubt doch ernsthaft, dass jemand, den wir kennen, Ginie etwas getan haben könnte. Das ist doch so, oder, Jonas?«
Er fuhr sich durch die Haare. »Ja, Mann, das ist mir so rausgerutscht!«
»Steffi?«
»Hmmm.« Sie nickte widerstrebend.
»Rüdiger?«
»Ich h-hab das nie behauptet. Mich i-i-interessiert auch nicht, was Florian nach dem Streit mit Alexa gemacht hat.«
»Florian hat gar nichts gemacht!«, schrie Alexa. »Er ist wie immer in sein Auto gestiegen und wild durch dieGegend gebraust! Nachdenken nennt er das und er wird es so lange machen, bis er sich eines Tages mal mit seiner Karre um einen Baum wickelt. Dann kann er abends nicht
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