Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
unterzeichnet. Dann ging die Tür auf, und Frau von Plottnitz kam herein. Mit einer Miene, als ginge es zum Schafott, wurde die alte Dame von der Sekretärin des Notars an den Tisch geleitet. Dort hatte der Mann nun das andere Vertragswerk, den Kaufvertrag für das Haus am Oderbruch, ausgebreitet.
Durch Frau von Plottnitz’ sichtbare seelische Schmerzen beim Verkauf ihres Hauses in Kombination mit der offenkundigen Genervtheit des Münchners nahm die Anspannung im Raum noch zu. Nun wurde nicht mal mehr gewippt. Wohl um die Sache hinter sich zu bringen, griff Frau von Plottnitz als Erste zu dem Edelfüllfederhalter des Notars, unterschrieb und verließ den Raum unmittelbar darauf wieder, so geisterhaft, wie sie gekommen war. Nun waren wir an der Reihe. Besser gesagt, die zwei Geschäftsführer unserer Immobilien-GbR waren dran: Fabian und Simone unterzeichneten für uns.
Die Tinte war noch nicht trocken, da standen wir schon wieder im Fahrstuhl. In Konrads Büro sollte auf das denkwürdige Ereignis angestoßen werden. Weniger nach guten Wünschen, mehr nach Schadenfreude klang, was uns der Münchner durch die sich schließende Lifttür noch mit auf den Weg gab.
»Ihr wisst ja sicher, was die beiden schönsten Tage im Leben eines Hausbesitzers sind. Der Tag des Kaufs und der Tag des Verkaufs. Servus.«
Lord Cord hatte schon frühmorgens vor dem Termin den Sekt kalt gestellt und kam mit einer plastikbrillantenbesetzten Tragevorrichtung von Moët & Chandon um die Ecke. Bestückt mit spülmaschinenbeschlagenen, randvoll gefüllten Gläsern. Von Konrads Büro aus hatte man einen postkartentauglichen Ausblick auf den Breitscheidplatz und die Gedächtniskirche. Olli moderierte die Runde, passend zum Ambiente, auf übertriebenem Taxifahrerberlinerisch an: »Moätt Schändäng, darunta machen watt jetz ooch nich mea!«
Wie die Moët-Gläser war die ganze Situation leicht eingetrübt: Ich kramte in meinen Erinnerungen an bestandene Prüfungen von Führerschein bis Abitur, auf deren Gelingen auch oft ein eigentümliches Gefühlsvakuum folgte. Fabian trat zusätzlich auf die Emotionsbremse.
»Lasst mal noch ein bisschen die Füße stillhalten, bis wir auch den Banktermin nächsten Dienstag über die Bühne gebracht haben und das Geld fließt.«
Für mich war das neu: Erst nach der Vertragsunterzeichnung ging man als Käufer zur Bank und leierte die bis dahin nur mündlich vereinbarte Finanzierung auch faktisch an. In der Zeit dazwischen musste man sich als Hauskäufer auf die Zusage der Banker verlassen. Es entsprach der Geschäftstradition, dass man in dieser Phase aufeinander vertraute.
Als wir mit unserem Moët anstießen, blickte ich auf die ausgebombte Gedächtniskirche, die laut Reiseführern von den Berlinern angeblich »hohler Zahn« genannt wird, was ich aber nie jemanden sagen gehört hatte. Durch meinen Kopf spukten Worte wie »stilvoll verarmen« oder »trübe Aussichten«. Ich schluckte sie lieber runter und spülte »Moätt Schändäng« hinterher. Das war nicht der Moment für blöde Witze. Enthusiasmus war etwas anderes.
Verflogen war die Nachkauf-Apathie, als wir drei Tage später in den Räumen der Commerzbank Eberswalde-Finow zusammenkamen. Schon deutlich selbstgewisser als noch beim Notar versammelte sich die frischgebackene Immobilien-GbR am Gummibaum im Foyer und wurde vom Filialleiter willkommen geheißen. Die Verlegenheit war nun eher aufseiten der Commerzbankangestellten, deren Räumlichkeiten auf so einen Massenansturm nicht ausgerichtet waren. In der Commerzbankroutine von Eberswalde-Finow kamen höchstens mal ein oder zwei traurige Kreditnehmer pro Tag zusammen, nun waren es gleich zwölf auf einen Schlag, die obendrein ihre hyperaktiven Kinder mitgebracht hatten. Zwei Banklehrlinge schleppten alle Stühle heran, die sie auftreiben konnten, und quetschten sie vor den Beratungstisch. Dann gab es sogar Kaffee.
»Filterkaffee lauwarm, hier stimmt aber auch jedes Detail«, flüsterte Olli nach dem ersten Schluck.
Wippen mussten wir an diesem Morgen auch, aber nur vor unterdrücktem Lachen. Die Anwesenheit einer Autorität, und sei es nur des Commerzbank-Filialleiters, in Verbindung mit einem gefühlten Lachverbot, ließ Olli und mich leicht mal in eine teenagerhafte Kicherstimmung verfallen. Oscar und Noah ging es unter dem Resopaltisch nicht viel anders. Mit bunten Spardosenelefanten traktierten sie die Füße des Filialleiters, was der Banker mit kleinsparerhafter Geduld ertrug. Eine
Weitere Kostenlose Bücher