Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Sicherheit ist der Tod. Leben ist, wenn es ab und zu auch mal wehtut.«
Am Morgen danach schmerzte das Leben sehr viel ärger, als ich mir im Überschwang der Party zurechtmystifiziert hatte. Ich griff zum Spaten und buddelte den Kommunarden von der Sickergrube aus entgegen. Ungefähr im Takt des Pochens meiner Kopfschmerzen rammte ich das Eisen in den festen Lehmboden. Bis es Pock machte. Wir gruben tiefer und legten der Länge nach ein Abwasserrohr frei, das zwischen Sickergrube und Haus nicht etwa auf dem direkten Wege verlief, sondern, wie sich nach längeren Grabungsarbeiten herausstellte, einen großen Bogen schlug. Der Graben füllte sich mit brauner Brühe, auf der sich Schaumkrönchen im Kreis drehten.
»Wahrscheinlich, damit die menschlichen Hinterlassenschaften besser die Kurve kratzen«, kalauerte Olli, und Jörg fand den Gedanken gar nicht so abwegig.
»Könnt ich mir durchaus vorstellen, dass die auf diese Weise wirklich mehr Schwung kriegen – wie auf diesen Schwimmbadrutschen.«
Konrad machte den Kurvendiskussionen ein Ende, indem er zur Tat schritt. Das Leck konnte nicht mehr weit sein. Er legte sein altes weißes Bürohemd ab, versenkte die Arme bis zur Achselhöhle in der Brühe und tastete das Rohr, es gleichsam von oben umarmend, Zentimeter für Zentimeter ab. Auf Spaten und Schaufeln gestützt schauten wir Mitbewohner und ein paar letzte Gäste ihm zu. Das lebendige Baustellenband Elke hatte aufgegeben, und die Kinder rührten mit ihren Plastikschaufeln in der braunen Soße herum. Um ihre Köpfchen schwirrten Fliegen. Ein Bild, wie aus der Werbekampagne einer humanitären Hilfsorganisation, dachte ich.
Nach einem Tag des Ankommens und einer Party mit Monologen über die erquickende Wirkung des Faktors Chaos im Leben hatten unsere Visionen unsanften Erstkontakt mit der Realität. Die Morgen nach Partys waren nicht dazu da, um schön zu sein, aber mit pochendem Kopfschmerz im Klärschlamm zu baden, das war schon wieder deutlich zu viel des Guten. Restalkohol und Schlafmangel versetzten die Einsatzkräfte zurück in einen sanften Rausch.
»Ich sehe das Fotoalbum schon vor mir«, sagte Olli, »kaum eingezogen, machten wir uns an den Bau unserer Milchkaffeepipeline.«
»Lass uns doch Managerseminare mit Schwerpunkt Abwasserrohrumarmung anbieten«, schlug Niels vor. »Ist auch mal eine Grenzerfahrung.«
Rechtzeitig bevor das Niveau noch tiefer sank, meldete sich Konrad aus dem Graben:
»Das Loch! Ich glaube, ich hab es!«
Andine, die seit einer halben Stunde mit einer Zeitung über dem Kopf auf dem Liegestuhl lag, quetschte genervt hervor: »Praise the lord!«
Konrad zog die Arme aus dem Amazonaswasser und wischte sich einen braunen Spritzer von der Brille. Er stieg aus dem Graben und verschwand hinter der Scheune. »Gehe mich mal waschen.« Da knallte das Gartentor ins Schloss.
»Tachchen!«
Ein untersetzter grauhaariger Mann mit einer etwas zu großen Piloten-Sonnenbrille betrat das Grundstück. Er trug eine tarnfarbene Kombathose, ein kurzärmeliges Hemd mit einem Weltraummotiv und an den Füßen knallgelbe Crox-Plastikschlappen. In der Hand hielt er eine Hundeleine, an der eine schwarze Promenadenmischung zerrte. Der Mann zog den Hund ein paar Mal ruckartig zurück, wodurch das Tier heftig würgen und husten musste: »Is jut, Paula!« Schließlich reichte er uns einem nach dem anderen die freie Hand.
»Tachchen, Wolfgang Schröder, eua Nachbah! Wie ick sehe, habta ooch schon erste Bekanntschaft mit dem Ostzonenpfusch hier jemacht.«
Der Hund zeigte einen unbändigen Willen, in den Milchkaffeekanal zu springen, sodass Herrchen ihn am Geländer des Treppenaufgangs zum Weidenhof festbinden musste. Der faulige Geruch der Brühe war für das Tier augenscheinlich so attraktiv, dass es sich am Halsband beinahe strangulierte.
Auf eine Zigarette mit Wolfgang Schröder.
Wir setzten uns an einen der mit Krümeln übersäten Frühstückstische und mussten erst mal einen Rüffel dafür einstecken, dass wir zu unserer Einweihungsfeier keinen unserer neuen Nachbarn aus dem Dorf eingeladen hatten – daran hatte keiner von uns gedacht. Nachdem wir für die nächste Party Besserung gelobt hatten, sofern es jemals ein nächstes Mal geben würde, beeilte sich der Mann im Planetenhemd klarzustellen, dass er eigentlich aus Westberlin kam und dort auch nach wie vor seine Wohnung hatte. Das schien ihm etwas zu bedeuten. Wolfgang Schröder erzählte uns, dass er früher mal Lastwagenfahrer war und sich
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