Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
um der Sache auf den Grund zu gehen.
Als wir von der Bäckerei zurückkehrten, waren die Wolken der Nacht verzogen, und das Leben spielte sich wieder im Freien ab. Die Partygesellschaft hatte sich in zwei Fraktionen gespalten, wobei die Grenze ziemlich genau zwischen Gästen und Gastgebern verlief. Die meisten Gäste hatten Kaffeetassen in der Hand, die Gastgeber hingegen trugen Schaufeln und Spaten durch die Gegend. Die Gäste hatten sich an mehreren über den Garten verteilten Tischen niedergelassen und tranken ihren Kaffee, der aus Seewasser gebrüht worden war, kauten die trockenen Baguettes vom Vorabend und versteckten ihren Katerkopf jeweils hinter einer Sonnenbrille. Die Gastgeber demgegenüber hatten begonnen, in der Nähe der Hauswand mehrere Löcher auszuheben, wobei ihnen wiederum die Gäste zuschauten. Im Garten des Weidenhofs spielte sich ein kleines Open-Air-Theater ab.
»Einige von uns können das mit dem Kieselsteinschleifen scheinbar gar nicht mehr abwarten«, kommentierte ich in meiner restalkoholischen Albernheit.
Olli machte ein todernstes Gesicht und wies mit der Schaufel aufs Kellerfenster: »Da unten ist alles komplett unter Wasser.«
Was die dürre Erklärung genau bedeutete, wusste mittlerweile Konrad: »Die senkrechten Abwasserrohre sind ausgelaufen. Die sind ja nur dafür gemacht, fließendes Wasser abzuleiten und nicht stehendes Wasser zu halten. Jetzt haben wir den ganzen Mist da unten drinstehen.«
Ich nickte verständnisvoll – ein Nicken, das mir immer schon über die Runden geholfen hatte, wenn ich nicht mehr so ganz mitkam. Wie eine Polizeieinheit, die das Gelände nach einer Leiche durchkämmt, buddelten Niels, Jörg, Konrad, Mette, Fabian, Ylva und Olli nebeneinander von der Hauswand aus mehrere Gräben und arbeiteten sich fächerförmig in Richtung der beiden Trauerweiden vor. Zwischen den Frühstückstischen und dem Wäldchen auf der Scheunenrückseite herrschte ein reger Verkehr von Menschen mit Klopapierrollen in den Händen. Die Augustsonne gewann an Kraft, erhitzte die Luft zwischen Garten, Scheune und Nachbargebäude wie in einem Umluftofen und ließ die Feuchtigkeit der Nacht verdunsten. Schwül war auch der Gemütszustand der malochenden Kommunarden, die von Fliegen umschwirrt wurden. Elke hatte sich als lebendes Baustellenband vor den Gräben aufgebaut, weil Noah immerfort beim Buddeln störte. Ich stellte mich dazu.
»Ich habe, glaube ich, immer noch nicht so ganz verstanden, was hier genau das Problem ist. Du kannst mir das sicher mal kindgerecht erklären, Elke, oder?«
Irgendwo zwischen Haus und Sickergrube war das Abwasserrohr geplatzt, und dadurch staute sich der Abfluss. Merkwürdigerweise war das Abwasserrohr aber nicht so leicht zu finden unter der Erde. Die Gäste verzogen sich nach und nach in Richtung See zum Baden oder packten ihre Sachen, um abzureisen. Gastgebern, die offensichtlich andere Probleme hatten, fiel man nicht gerne zur Last. Konnten viele Besucher am Vorabend angesichts unseres stattlichen Hofes im Schein des Lagerfeuers und eines spiegelglatten Sees bei Vollmond ihre Neidgefühle nicht ganz verhehlen, so überwog an diesem Morgen spürbar die Genugtuung, sich hier ohne Weiteres vom Acker machen zu können.
Jedoch nicht ohne vorher noch etwas Zuspruch zu spenden: »Dann hoffen wir mal, dass ihr das Problem schnell in den Griff kriegt, eigentlich habt ihr es ja wirklich toll hier draußen.« Gelegentlich wurde auch Mitleid bekundet: »Ist ja echt zum Heulen, gleich nach dem Einzug so ein Desaster! Na ja, Zähne zusammenbeißen, Leute!« Manchmal wurde gar gespottet: »Ein bisschen Stress muss schon sein, ihr Lieben, wenn man meint, sich ein Landhaus anschaffen zu müssen.«
Die Kommentare der Besucher hatte schon am Vorabend eine spezielle Mischung aus Bewunderung und Skepsis gekennzeichnet. Nicht wenige bekundeten, von einem Projekt dieser Art seit Langem zu träumen, nur um im selben Atemzug klarzustellen, dass sie sich das mit so vielen Leuten denn doch nicht vorstellen könnten. Ob der Riesenzoff da nicht vorprogrammiert sei, war eine Frage, die auch immer mal wieder aufkam.
Mit jedem Getränk wurde ich besser darin, bei der Beantwortung dieser Frage, konventionelle Lebensentwürfe mit Reihenhaus beredt zu geißeln und mich wie auch meine Mitbewohner vom Weidenhof demgegenüber als Lebenskünstler hochzujubeln: »Ja, dann gibt es eben mal Ärger. Es geht ja genau darum, sich diesen Faktor von Unberechenbarkeit zu erhalten –
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