Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Niels zu bescheiden sind, Folgendes hat sich gestern und heute in Maltrin zugetragen: Leider ist der Versuch, dem Güllebecken mit dem Diamanttrennschleifer zu Leibe zu rücken, fehlgeschlagen. Die Mauern waren zu dick, nix ging vorwärts. Dann hat Jörg sich auch noch fast in den Arm gesägt. Die beiden waren total am Ende und haben schon fast aufgegeben. Das wäre fatal gewesen. Wir hätten Handwerker gebraucht, die für Hunderte Euro mit einem Kernbohrgerät genau passende Löcher in die Wände fräsen müssten.
Dann kam ein Riesenbagger des Weges, und die beiden Helden waren geistesgegenwärtig genug, den Baggerfahrer zu überreden, die Mauern durchzubrechen. Jetzt sind die scheinbar nicht nur durchgebrochen, sondern völlig eingerissen. Nachdem der Monsterbagger das mit zwei, drei Schlägen erledigt hatte, gab es Freudentänze.
Perfekt! Morgen können die Handwerker kommen – Wolle Schröder hat uns seinen Haus-und-Hof-Installateur vermittelt – und die Leitungen legen.
Ich sag ja: Geschichte wird gemacht, es geht voran – und das sehr schnell!
Gruß, Konrad
Absender: Niels Krakauer.
Uhrzeit: 10:13
Betreff: Re: Ode an die Helden der Improvisation Jörg und Niels
… der eigentliche Held des Tages war der Baggerfahrer! Der hat sich hinterher sogar noch dafür entschuldigt, dass er die Brocken nicht aus dem Graben holen kann – dafür war die Schaufel des Monsterbaggers zu groß. Er wohnt ein Dorf weiter, ein kleiner älterer Mann mit kugelrundem, knallrotem Kopf. Wenn Ihr ihn seht: Verbeugt Euch, geht auf die Knie, gebt ihm ein Bier, gebt ihm alles, was er will.
Ich war nicht in der Position, Zweifel an der Ode an die Helden der Improvisation anzumelden. Wie die anderen Ferngebliebenen stimmte ich in die Lobeshymne ein: Weltniveau Ihr Lieben! Nicht dass ich die herausragenden Leistungen von Jörg und Niels grundsätzlich bezweifeln wollte. Leicht war diese Mission gewiss nicht. Schröder hatte die beiden freitagabends nur noch flüchtig in die Funktionsweise des Werkzeugs eingeführt und war dann mit seinem Opel erst mal fürs Wochenende ins heimische Westberlin gefahren. Niels, Jörg und der Diamanttrennschleifer waren fortan auf sich alleine gestellt. Aber ob es wirklich eine solch herkulische Aufgabe war, nach der es in den E-Mails klang, war eine andere Frage. Ob sie wirklich geschuftet haben, bis die Haut in Fetzen hing, wie man sich so erzählte, ja, ob sie nach einem Tag vergeblichen Sägens auf die Straße rannten und wie Gestrandete auf einer einsamen Insel einem Schiff dem zufällig vorbeifahrenden Bagger hinterherbrüllten …? Legendenbildung hin oder her. Für Konrad war es sicher eine willkommene Abwechslung, nach Jörgs telefonischem Frontbericht am Sonntagnachmittag mit einer blut- und schweißtrunkenen E-Mail den Schäfchen vom Weidenhof Lust auf eigene Großtaten zu machen. Heldenmythen waren auch bei uns der Kitt, der Gruppen in schwierigen Zeiten zusammenhielt und auf Spur brachte. Hauptsache, das Rohr war verlegt.
Dann kam Sichtfensterpost.
Als verlängerter Arm ihres Großonkels und Stuttgarter Immobilienhais war Simone erfahren im Umgang mit Papierkram, und so war ihr einer der zwei Geschäftsführerposten unserer Immobilien-GbR angetragen worden, was zur Folge hatte, dass sämtliche das Grundstück betreffende Korrespondenz in unserem Briefkasten in Berlin landete. Darin lag ein gewisses Risiko. Ich hatte eine tiefe Abneigung gegen Sichtfensterpost aller Art und pflegte beim Leeren des Briefkastens die typisch grauen Behördenumschläge nicht so genau anzusehen und sie lieber im Gerümpel unseres Küchenbüfetts zu versenken. Graublaue Briefumschläge mit Sichtfenster, so meine Erfahrung, informierten in der Regel über Steuernachzahlungen, Strafgelder und Fahrverbote, weshalb ich sie wie die Überbringer schlechter Nachrichten im Mittelalter bestrafte: mit Nichtachtung. Simone hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, meinen bürokratischen Schlackehaufen von Zeit zu Zeit abzutragen. An einem Morgen Anfang Oktober stieß sie auf den Brief der Stadtwerke Prenzlau.
Dieses Schreiben setzte Maßstäbe im Verkünden unangenehmer Neuigkeiten in nüchternem Behördendeutsch: Betreff: Zwangsanschluss an die Druckleitung. Ab Dezember ist die neu gebaute Schmutzwasser-Druckleitung in Ihrer Straße nutzungsfähig. Es besteht somit für Sie ab sofort die Pflicht, Ihr Grundstück entsprechend dem erteilten Anschlussrecht an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage anzuschließen. Die
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