Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Konrad und Fabian präsentierten uns im Laufe des Frühjahrs erste Stellen in den Scheunenwänden, die zwar aussahen wie zuvor, »aber jetzt topsave sind«, wie sie stolz vermeldeten. Auf die Scheunenboys und ihren Reichsbrand konnte man bauen. Ich zeigte den anderen meine Liegewiese hinter der Scheune, wo man das Tiergartengras schon bald mit der Motorsense in Schach halten musste. Ylva und Mette zeigten uns die verschiedenen Kräutergärtchen, Blumen und anderen Anpflanzungen, die in kleinen Schritten jene Vision von blühenden Landschaften einzulösen begannen, die Olli am Einzugwochenende ein Dreivierteljahr zuvor mit der Grillzange in die Luft gezeichnet hatte. Sie hatten die Blumenzwiebeln und Setzlinge wohlweislich über das ganze Gelände verteilt, kleine Blumen- und Pflanzeninseln auf der Rasenfläche angelegt statt spießiger Blumenbeete. Niels zeigte uns, dass er nicht nur mit den neuen Medien virtuos umzugehen verstand, sondern auch mit den ganz alten. Er riss die defekten Stromleitungen der Vierzigerjahre aus den Wänden des Hauses raus und verkabelte alles neu. Ferner hatte er bei jedwedem Problem eine iPhone-App parat. Ylva und Mette etwa lud Niels eine Baum- und Pflanzenerkennungsapp runter, damit sie sich bei der Gartenarbeit leichter taten. Zum Dank musste er sich von Olli den Spott gefallen lassen, Niels habe im Garten »schon wieder einen appleapptischen Anfall erlitten«. Steve gab derweil als Luxus der Woche bekannt, dass man jetzt auch die Badezimmertür abschließen könne. Auch toll.
Dagegen zeigten sich Simone und Elke zerknirscht darüber, dass sie durch die beiden Säuglinge zu eingespannt waren, um irgendetwas beizutragen – da half auch keine App. Dafür hatten Oscar und Noah dank einer größeren Fuhre Sand vor der Scheune ihren Traumspielplatz gefunden. Die Arbeit an der frischen Luft entwickelte sich zunehmend vom Mittel, den Kieselstein zu schleifen, zum Zweck, draußen zu sein, sich zu betätigen, etwas zu erreichen und sich dann gemeinsam darüber zu freuen. Gemeinsames Freuen über das Erreichte zelebrierte die Gruppe gerne auf Bootsausflügen zum Feierabend. Auch beim Schippern bekamen wir Übung und hatten unseren eigensinnigen Außenborder bald besser im Griff.
Jörg musste uns auf die Ergebnisse seiner Arbeit gar nicht groß aufmerksam machen. Die Holzterrasse, die er zusammen mit zwei Freunden innerhalb von einer Woche vor die Scheune gezaubert hatte, war kolossal. Sie stand auf Stelzen, reichte über zwei Ebenen und schwebte förmlich zwischen dem Geäst des Urwalds. Man hatte das Gefühl, aus einem Baumhaus heraus auf den See zu blicken. Rundherum rankten die Äste der Obstbäume über die Brüstung. Ein Mirabellenbaum wuchs sogar mitten durch den Fußboden, was der Konstruktion eine unverhoffte aber diesmal mit Wohlwollen goutierte Schöner-Wohnen-Anmutung gab. Jörg machte uns vor, wie man im Spätsommer vom Liegestuhl aus nur nach rechts greifen müsste, um eine reife Birne zu pflücken, während einem die reifen Kirschpflaumen von alleine in den Schoß oder auf den Kopf fallen würden. Der Künstler hatte fraglos das nötige Geschick. Dass er nun auch seine Leidenschaft für zweckbezogenes Bauen entdeckt hatte, war für unser Projekt ein Segen. Kuriert war mit diesem Koloss von einer Terrasse auch das Heimweh nach unserer alten Terrasse vor dem Jünemannschen Chefbungalow in Zechlin, das einige von uns noch wie eine unausgeschwitzte Krankheit in sich getragen hatten. Nun war alles wieder da, und das um einiges besser.
Bei Sonnenuntergang war das hier das Café del Mar Ostdeutschland.
Aus mancherlei Gründen löste sich das Problem der Dialektik des unspießigen Verschönerns auf eine nicht einkalkulierte Weise von selbst. Die Tiergartenmischung wucherte auf allen Grünflächen mit einer Berliner Kaltschnäuzigkeit, dass sie die zarten Neuanpflanzungen zu verdrängen drohte. Um ihr Einhalt zu gebieten, besorgte Niels über Beziehungen seiner Eltern zu einem Weinbauern im Rheinhessischen einen gebrauchten »Allesmäher«, ein Gerät, das normalerweise in Weinbergen zum Einsatz kam und das sich selbst auf sehr unebenem, steilem Gelände auch durch hohes Gras mähte. Da dieser Brummer mit einem starken Motor ausgerüstet war und dadurch wie ein Kampfhund den Mähenden hinter sich herzerrte, war das Rasenmähen mit dem Allesmäher ein grobschlächtiges Unterfangen. Wer es übernahm, versuchte alles, um die fragilen Jungpflänzchen, die ja bewusst überall auf der
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