Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
damit man im Weidenhof ein Wochenende verbringen und die abgebrochene Arbeit beenden konnte. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wurden einzelne Zimmer einfach wieder bezogen, obwohl die Wände nur halb gestrichen waren, die alte Blümchentapete noch durchschimmerte oder der Putz von der Decke rieselte. Manche Räume gerieten zu einer unbeabsichtigten Mischung aus Landhaus-Style und jenem Junkie-Look mit abgerissenen Tapeten und rohem Putz, der in Berlin zehn Jahre zuvor mal angesagt war.
Selbst den größten Freunden ästhetischer Brüche wurde es ein bisschen zu wild.
Wir stellten fest, dass wir zwar einiges auf die Beine stellten, aber doch eben auch viel selbst wieder niederrissen, was bald auf die Nerven und ins Geld ging. Selbst die Hobby-Bausachverständigen Konrad und Fabian trugen ihren Teil bei: Der eine hatte einige Fenster des Hauses zur Ausbesserung ausgebaut und in der Scheune zum Bearbeiten aufgebockt, der andere brachte deren Anordnung durcheinander, weil sie bei der Anlieferung von neuem Reichsbrand im Wege standen. Dreißig der fünfundneunzig Fenster des Hauses – es handelte sich um viergliedrige Doppelfenster – mussten wir wie ein Puzzle neu sortieren und zusammensetzen. Erste Zweifel an unserer organischen Vorgehensweise bei der Herrichtung des Weidenhofs bekamen Nahrung. Die Grenzen der Schwarmintelligenz wurden sichtbar. Endgültig voll war das Maß, als Niels und ich uns unabgesprochen beide sehr eifrig an einer Internetauktion um eine Motorsäge beteiligten, wodurch wir, dumme Sache, den Preis wechselseitig in die Höhe trieben, bis Niels schließlich den Zuschlag bekam. Für siebzig Euro mehr als nötig.
Ich muss mal ein bisschen meckern. Mit dieser Betreffzeile leitete Jörg seine E-Mail behutsam ein, nur um dann derbe auf den Putz zu hauen. Es folgte eine schäumende Litanei über Werkzeuge, die über das ganze Gelände verstreut lagen, Arbeiten, die angefangen, aber nicht zu Ende geführt worden waren oder die durch Kollateralschäden der Arbeiten anderer sabotiert wurden, Utensilien, die doppelt und dreifach angeschafft und Utensilien, die immer noch nicht angeschafft worden waren. Jörgs E-Mail war der stumme Schrei nach einem Masterplan und dem Ende des Dilettantenstadls – der Ruf nach dem starken Mann. Konrad gab ihm Rückendeckung, nicht weniger direkt in der Wortwahl. Es folgte die berüchtigte E-Mail-Lawine.
Absender: Oliver Kattenstroth.
Uhrzeit: 16:34.
Betreff: Re: Re: Ich muss mal ein bisschen meckern
Also wenn dieser anklägerische Duktus und diese Tonalität – »Idiot« etc. – jetzt zum allgemein akzeptierten Maltriner Sprachgut erhoben wird, dann bin ich ziemlich erschüttert und auch traurig. Ich unterstelle mal, dass alle, die an den letzten Wochenenden mit angepackt haben, weder aus Bösartigkeit noch aus grober Fahrlässigkeit gehandelt haben!!!
Momentan ist sicher noch alles eher Baustelle als gemütliches Wohnen, aber wir sind doch auf der Zielgeraden! Warum kommt da jetzt genau das auf, was wir eigentlich immer als Kollektiv vermeiden wollten: gegenseitiges Vorwürfemachen!!!!
Mann ey …
Olli
Absender: Oliver Geyer.
Uhrzeit: 17:14.
Betreff: Re: Re: Re: Ich muss mal ein bisschen meckern
Schließe mich meinem Namensvetter an: Bitte etwas sparsameren Umgang mit Donnerwettern und Kritik! Der Grundakkord, der da angeschlagen wird, ist voll daneben. Mir würden auch viele Punkte einfallen … Das Chaos dieses Hauses erzeugt seine eigenen systemimmanenten Widersprüche, in deren Mahlstrom man mit den individuellen Arbeitsgängen gerät, ohne dass einen immer eine konkrete Schuld trifft. Vielleicht können wir die Sache noch für ein paar Wochen etwas buddhistischer nehmen und einfach mal tief durchatmen. Wir brauchen erst eine Ordnung, die man auch einhalten kann. Dann ist die Ausgangslage eine völlig andere.
Gr. Olli
Absender: Niels Krakauer.
Uhrzeit: 19:32.
Betreff: Re: Re: Re: Re: Ich muss mal ein bisschen meckern
Ein paar Gedanken meinerseits zu den Ereignissen der letzten Wochen: Ich denke, ein Grund, warum viele so aufgebracht auf Jörgs Mail reagiert haben, ist, dass wir eine verdammt demokratische Truppe sind. Das ist ja schön, ABER es gibt damit auch keine Autorität oder Chefrolle, keinen, der Sanktionen aussprechen kann, wenn etwas schiefläuft, Vereinbarungen nicht eingehalten werden, etc. So kann sich natürlich jeder über dies und das aufregen, aber das führt im Zweifel nur zu mehr Verstimmung und keiner pragmatischen Lösung von
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