Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Stück fort. Konnte man womöglich anhand dieser fünfzehn Quadratmeter auf der Rückseite einer Schäferei, die einst zu einer LPG gehört hatte, den gesamten Übergang zu einer neuen Weltordnung am Ende des 20. Jahrhunderts erklären?
Mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Aus weiter Entfernung hörte ich, dass jemand rief: »Kaffee trinken!« Ich legte die Heckenschere beiseite und machte mich auf den Weg. Auf der anderen Seite der Scheune fanden sich bei Kaufkuchen und Bodumkannenkaffee im Schatten der großen Trauerweide dankbare Abnehmer für meinen großen theoretischen Aufschlag. Auch die anderen hatten sich mit Altlasten herumschlagen müssen. Mette klagte über die Unmengen von Bauschutt und Strohballenkordeln, auf die sie beim Ausheben von Löchern zum Anpflanzen der Blumen und Büsche überall im Erdreich gestoßen war. Niels und Jörg hatten feststellen müssen, dass zu DDR -Zeiten zwar der Dachstuhl unseres Hauses repariert, aber die Taubenscheiße auf dem Fußboden nicht weggemacht worden war. Das ätzende Zeug hatte sich über die Jahre zentimetertief in den Holzboden gefressen. Fabian beschwerte sich über DDR -Bauarbeiter, die sich beim Ausbessern der Scheunenwand augenscheinlich nicht mehr die Mühe gemacht hatten, den Putz noch einmal von oben nach unten zu verstreichen. Dadurch, dass sie ihn ausschließlich von unten nach oben verstrichen und dann vermutlich gleich das nächste Fläschchen Sternquell gekippt hatten, waren kleine Mörtelrinnen zurückgeblieben, in denen sich Wasser sammelte, das in den Jahren darauf immer tiefer in die Wand sickerte. Deshalb und wegen der Balken, die zur besseren Traktordurchfahrt einfach abgehackt worden waren, mussten wir nun großflächig sanieren.
Konrad war der große Pfusch, auf den man hier an allen Ecken stieß, willkommenes Stichwort zur Untermauerung seiner wirtschaftspolitischen Überzeugungen.
»Jeder, der der DDR nachweint, den würde ich gerne mal dazu verdonnern, auf unserem Grundstück eine Baustelle zu übernehmen«, wetterte Graf Zahl. »Ich sage ja, nur persönliches Eigentum bringt die Menschen dazu, verantwortungsvoll mit Grund und Boden umzugehen. Der Sozialismus war doch nichts als ein gigantisches Faulheitsförderungsprogramm.«
Auf so was in der Art hatte Jörg nur gewartet: »Dafür müssen sich im Kapitalismus alle so lang machen, dass sie Burn-out kriegen und dann auch nichts mehr zuwege bringen. Das ist dir wohl lieber, Konrad. Oder was?«
Olli schaute mit seiner vom Verletzungspech verdüsterten Miene nicht mal von der Zeitung auf, konnte sich aber einen kurzen Kommentar doch nicht verkneifen: »Man kann nicht immer alles nur durch die ökonomische Brille betrachten, Konrad. Da geht es doch um multifaktorielle Phänomene.«
Konrad genoss die Kontroverse sichtlich. Er fläzte sich noch etwas tiefer in den Sperrmüllsessel, bevor er zum Gegenschlag ausholte: »Wenn die Zonies die Scheune damals richtig entwässert hätten, wäre dieser Canyon, in dem Herr Geyer seit heute Morgen wühlt, gar nicht erst ausgespült worden. Den dazugehörigen Entwässerungskanal hab ich mit Fabian ja im Herbst schon verlängert. Meine These ist: Hätte das Grundstück damals irgendjemandem persönlich gehört, dann hätte der das schon rechtzeitig gemacht, und alles wäre gut gewesen. Aber den Genossen ist ja nichts anderes eingefallen, als ihren Müll in die Senke zu schmeißen.«
Fabian haute mit in Konrads Kerbe: »Es hätte übrigens höchstens noch ein oder zwei Jahre gebraucht, und die ganze Scheune wäre in Richtung See abgeschmiert, die vorderen Grundmauern waren schon unterspült.«
Ich resümierte, dass Kapitalismus und Sozialismus damit ja letztlich nur ein kleines Stück Entwässerungskanal weit auseinanderlagen. In dem Plan, diesem Haus und Grund in Zukunft mehr Liebe angedeihen zu lassen, egal, was in der Vergangenheit war, fanden wir alle wieder halbwegs zueinander. Von diesem Konsens war es dann nicht weit zu einem angrenzenden Thema: Wie sollten wir den Weidenhof verschönern, ohne dass er zu schön wurde? Wie renovierte man einen Bauernhof, ohne dass das Odium der Spießigkeit Einzug hielt? Besonders Elke, in deren Leben als Fotografin sich in allen Bereichen außer beim Auto ein ausgeprägter Stilwillen geltend machte, trieb die Problematik des unspießigen Verschönerns um, wie sie auch bei dieser Gelegenheit deutlich machte.
»Ich hab echt keine Lust, dass wir hier in so einer Gartencenter-Ästhetik enden«, sagte
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