Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Losung des Kampfes gegen die autoritäre Kleinfamilie durch die Wohngemeinschaft. Kinder und Erwachsene, alles singt und spielt zusammen.
Von hier will Susanne so schnell nicht mehr fort. Um dem armen Spießermädel wenigstens einen Abend in diesem revolutionären Fantasialand zu ermöglichen, schleicht sich Kommunenkid Oliver, der Susanne halbwegs ähnlich sieht, als Double rüber in die Wohnung von Susannes Eltern, springt flugs in die Möbelhausfalle im Kinderzimmer und zieht sich die Frotteedecke über den Kopf. Wie zu erwarten, fliegt das Blendwerk am nächsten Morgen auf, und Spießermama schimpft wie ein Rohrspatz: »Warum hast du uns das denn nicht gesagt, Susanne, wir hätten das doch mit Vati besprechen können. Du kannst doch nicht einfach in eine fremde Wohnung gehen und da schlafen.«
Kommunenwolfgang hingegen ist natürlich total nachsichtig. Alles, was er schlaftrunken in seinen Rauschebart murmelt, ist: »Ja, so ist das halt, die Susanne wollte gerne mit bei unseren Kindern im Bett schlafen.« Dann schimpft auch er, aber betont ironisch: »Olli, wer hat dir denn erlaubt, bei anderen Leuten zu übernachten.«
Spießermama ist wie gelähmt von dem Milieu-Clash. Hilflos steht sie zwischen Tür und Angel und streichelt ihrer Susanne über den blonden Schopf. Kommunenwolfgang schaut mit seinen schlafverkrusteten Augen ins Ungefähre. Die Kommunenkinder wenden sich der Kamera zu und nölen halb vergnügt: »Typisch, immer dasselbe. Montags schimpft der Toni, dienstags schimpft der Wolfgang, mittwochs schimpft die Elke.« – Ende.
Konrad kringelte sich vor Vergnügen. »O Mann! Diese moralische Überlegenheit der Linken ist immer wieder zum Piepen.«
»Die haben sich da schon ein ziemliches Ding geliefert damals in ihren Charlottenburger Revolutionspalästen«, bemerkte Olli mehrdeutig.
»Aber mal ehrlich, Konrad, wenn du dein Tweedsakko gegen ein Batikhemd tauschen würdest, dann wären wir davon so weit auch nicht mehr entfernt«, sagte Simone.
»Kann ja sein«, lachte Konrad. »Aber bitteschön ohne diesen Achtundsechziger-Tugendterror. Macht hier bitte keine Kommune 1 aus uns.«
»Ooch, wegen mir gerne Kommune 1.« Simone betrachtete sich stets als eine Zuspätgekommene. Die Sehnsucht nach der guten alten Zeit von ’68 war bei ihr nie zu überhören.
»Andine würde sicher eine passable Uschi Obermayer abgeben«, meinte Olli.
»Vielleicht wird andersherum ein Schuh draus«, regte ich die Runde zum Nachdenken an. »Vielleicht stehen wir ja gar nicht in der Tradition der Siebzigerjahre-Wohngemeinschaft, sondern sind eher die Fortsetzung des alten Gutshofs mit postmodernen Mitteln. Familienfragmente, die sich zu einer pseudotraditionellen Großfamilie zusammenschließen – oder so ähnlich. Und du, Konrad, du bist der ostelbische Junker auf Wochenendbasis. Damit kannst du dich doch sicher besser identifizieren.«
Jörg lächelte breit: »Wie wär’s mit Boheme auf Wochenendbasis? Würde vielleicht ein bisschen besser passen.«
Statt des Songs »Einer Ist Keiner« vom Gripstheater war in letzter Zeit Charles Aznavours’ deutsche Fassung des Chansons »La Bohème« zu einer Art Hymne des Weidenhofs avanciert, die wir auf einer alten Schallplatte aus der Musikaliensammlung von Fabians Großtante aufgetan hatten. Mit den Höhen und Tiefen der vergangenen Monate hatte unser Landhausprojekt auch gruppenpsychologisch weiter an Kontur gewonnen und parafamiliäre Züge angenommen. Für unsere Idee, eine Art Familie zu sein, die nun immer häufiger mal Thema war, kam es auf Verbundenheit an, nicht auf Verwandtschaft, wie nun allenthalben beschworen wurde. Und ein Zoff wie Brombeergate kam schließlich in den besten Familien vor, sagten wir uns in der weinseligen Plenumsnachlese auf der Seeterrasse. So gesehen war der Farbstreit eigentlich sogar ein Beleg für unsere unverbrüchlichen Familienbande, die wir als Weidenhofbewohner in den vergangenen Monaten geknüpft hatten.
Die Erfahrung war für uns ja nicht ganz neu: Das Leben in der Landkommune forderte seinen Tribut. Aber wer bereit war, gewisse Reibungen und Mühen auszuhalten, die ein Projekt wie dieses unvermeidlich mit sich brachte, der bekam dafür eben auch eine ganze Menge. Die Rappelkistenfolge »Einer Ist Keiner« wirkte mit ihrem revolutionären Sendungsbewusstsein gegenüber unserer Sommerhauskommune vielleicht etwas aus der Zeit gefallen. In ihrer Beschreibung der Vorteile des Zusammenlebens mit einer großen Gruppe von Menschen traf
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