Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
wir den Zwist hauptsächlich im virtuellen Raum austrugen.
Eine Problembewältigungstechnik, die Olli aus dem Effeff beherrschte, war es, Affären wie Brombeergate noch halb im Strudel der Ereignisse bereits zu heiteren Anekdoten zu verarbeiten – wie zappelnde Fische zu Fischstäbchen – und so die Wechselfälle, die das Projekt »Sommerhaus jetzt!« nun einmal so mit sich brachte, erträglicher zu machen. Mehr noch: Olli presste damit noch das letzte Quäntchen Unterhaltungswert aus ihnen heraus. Ohnehin war die Grätsche zwischen erwartungsfroher Planung und ihrem jähem Zerschellen an den äußeren Umständen ein immer wiederkehrendes Motiv in Ollis Geschichten, in denen er seine eigene Person stets als Selbstkarikatur zeichnete. Dieser Donald-Duck-Faktor gab seinen Schwänken eine Würze, die sie auch beim x-ten Aufwärmen noch goutieren ließen.
Olli, wie er nach verpatzter Führerscheinprüfung seinem Fahrprüfer die Autotür vor der Nase zuknallt und ihm dabei das Nasenbein bricht. Olli, wie er mit Freunden am Wilden Kaiser auf Bergwandertour geht, wie er sich während des auszehrungsreichen Aufstiegs bei zahlreichen Kippen das ruhmreiche Erreichen des Gipfels ausmalt und wie er sich dann, auf dem Gipfel angekommen, vor den Augen einiger sehr erfahrener Bergwanderer den Kopf am Gipfelkreuz stößt und Hohngelächter erntet. Olli, wie er bei seiner Marathonteilnahme besonders lässig nach einem der vielen Plastikbecher greift, die den Läufern vom Rand immer hingehalten werden, um ihn sich zur Erfrischung einfach über den Kopf zu gießen, wie er dabei aber feststellen muss, dass es sich nicht um Wasser, sondern um stark gesüßten Tee handelt, der seine Haare komplett verklebt. Olli, wie er bei der Marine die Kajüte perfekt geputzt hat, um sich für Sonderurlaub anzuempfehlen, wie er dann aber, nachdem die Arbeit erledigt ist, den Industriestaubsauger über die wackelige Hängebrücke zurück aufs andere Schiff bringen will, ihm das Gerät aus den Händen ins Wasser rutscht und er schließlich seinem Offizier Bericht erstattet: »Matrose Kattenstroth meldet, Staubsauger versenkt.« – Und danach für zwei Wochenenden den Heimaturlaub gestrichen bekommt.
Alles Geschichten, zu deren Abschluss man in alten Sketchsendungen den typischen Jingle eingespielt hätte: So ein Pech aber auch! Dies war der Sound von Ollis Alltagsleben. Jedenfalls von Ollis Geschichten über sein Alltagsleben. Es stand der Verdacht im Raum, dass Olli nicht nur eine Anekdotenschleuder war, sondern ein Meister der Fabulierkunst, der der nächsten Anekdote immer schon halb entgegenlebte: Es war Olli zuzutrauen, dass er einen Schritt zulegte, damit er einen vom Balkon herabfallenden Blumentopf auch bestimmt noch auf den Kopf bekam. Geschenkt – Ollis Anekdotenkunst war es zu verdanken, dass aus einem unerfreulichen Zoff Brombeergate geworden war, ein Lustspiel in mehreren Akten mit viel Geschrei und Tür auf, Tür zu. Wenn es denn der guten Stimmung diente.
Nur waren manche Zerwürfnisse eben ein paar Nummern zu groß, um rein durch diese sanfte Lachtherapie geheilt zu werden. In einigen Fällen war vorher ein operativer Eingriff nötig: das Berliner Kaffeehausgespräch. Ylva, die Andines Ankündigung, mit dem Kollektiv Schluss zu machen, verhindern wollte, übernahm es, sich mit ihr zu treffen. Sie galt für diese Mission als geeignete Kandidatin: Als Schwedin hatte Ylva per se kein Problem mit bunten Häusern und sollte ihre diesbezügliche Gelassenheit möglichst auch Andine einflößen. Zudem bildete sie mit ihrer ausgeglichenen skandinavischen Art sozusagen den charakterlichen Gegenpol zu Andines südländischem Temperament in der Gruppe. Nach zwei bis drei Latte macchiato unter Kaffeeschwestern hatte Ylva Andine für den Weidenhof zurückgewonnen. Ylva nutzte die Gunst der Stunde.
Absender: Ylva Nydal.
Uhrzeit: 22:18.
Betreff: Re: Re: Re: Jegliches hat seine Zeit
Wertes Kollektiv,
gute Nachrichten: Andine bleibt im Boot! Aber es gibt eine Bedingung. Andine und ich finden, dass es ab sofort regelmäßige Termine für ein Plenum geben soll. Trotz Gruppenzuständigkeit müssen manche Dinge einfach besser abgesprochen werden. Und zwar mit allen! Wir dachten an Mitte Juli als geeigneten ersten Termin. Wir können den ersten Teil der Sommersaison Revue passieren lassen, um uns für Teil zwei schon zu verbessern.
hej då,
Ylva
Das Wort »Plenum« verursachte bei mir Gänsehaut: Muss ich mir zu dem Termin jetzt einen
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