Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
dieses Dorfes und seiner historischen Gebäude, für deren Erhalt er sich mit aller Kraft engagieren wolle. In typisch preußischer Verpflichtungsattitüde habe Gerland immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass die Wohlhabenden in unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Ein klassisch adeliges Auftreten, wie Konrad sagte. Dann wurde musiziert. Anschließend aber war Gerland für längere Zeit verschwunden, hatte sich vermutlich in seine Gemächer zurückgezogen beziehungsweise ein festliches Mal zu sich genommen, während die Besucher mit Kanapees abgefertigt wurden, wie Andine mutmaßte. Konrad gestand, dass sie den Schlossherrn erst ganz am Ende der Veranstaltung noch mal erwischt haben, am Ausgang, und fügte hinzu, dass er ihm dann auch nur noch die Hände geschüttelt habe. Die Luft sei so spät am Abend irgendwie raus gewesen. Andine pflichtete Konrad bei, das Konzert sei eigentlich ganz schön gewesen, aber dass sie es unverschämt fand, dass so ein reicher Sack auch noch Eintritt nimmt. Das hätte sie ihm aber leider auch nicht mehr sagen können.
Einige Weidenhofer bedauerten es sehr, aber mit dem großen Duell Geldadel gegen Landadel war es vorerst nichts geworden.
IN THE NEIGHBOURHOOD
So grundlos die Aufregung um den See im Nachhinein auch war. Mir hatte die Seerettungstour mit Konrad durchs Dorf den nötigen Stoß versetzt, um für einen Moment von der Nabelschau in unserer kleinen Weidenhofwelt abzulassen und auch mal über den Gartenzaun zu blicken. Ollis Worte bewahrheiteten sich: Hier in diesem untouristischen Teil des Landes lernte nun auch ich endlich mal ein paar waschechte Brandenburger kennen. Eine Aussicht, die nach dem Kurzbesuch bei Bodin ihren obskuren Charakter für mich verloren hatte. Im Gegenteil, erstmals war so etwas wie heimatkundliches Interesse in mir erwacht – zumindest verkündete ich das im Überschwang der guten Nachrichten, die ich mit dem Betreff herumschickte: Die Seenot hat ein Ende . Wobei ich mir die von Weitem winkende Metapher der Dorfbewohner als Eingeborenen und meiner Person als Völkerkundler nicht verkneifen konnte. Fabians Antwort kam schnell und war leicht süffisant. Betreff: Kannst Du haben . Er hatte sich hinter die Organisation unserer Sommer-Hofparty geklemmt und noch Aufgaben zu delegieren: Einer muss sowieso noch einen Zug durch die Gemeinde machen und die Leute aus dem Dorf einladen. Wenn wir das diesmal auch wieder vergessen, sind wir für alle Zeiten unten durch bei den Dorfkollegen. So konkret hatte ich das gar nicht gemeint. Aber gut.
Bis zu Konrads und meinem Seerettungseinsatz bei Meister Bodin und Bürgermeister Plietsch hatten sich meine Einblicke ins Dorfleben auf vereinzelte Besuche in der Bäckerei beschränkt, und was ich im Zuge dessen gesehen hatte, machte nicht unbedingt Lust auf mehr: Maltrin war eben so ein typisches Angerdorf mit ein paar gelben und ein paar grauen Häusern, einer Kirche auf einer kleinen Anhöhe, dem unvermeidlichen Dorfteich – und Ende Gelände. Aufgefallen war mir nur, dass neben einigen lauschigen Ecken, wo vor Backsteinhäuschen die Kornblumen blühten, die DDR -Moderne Schneisen der ästhetischen Verschandelung hinterlassen hatte: Miniplattenbauten, mit Betonplatten verbreiterte Kopfsteinpflasterwege, mit Waschbeton ummantelte Laternenpfähle, mit gewellten Asbestplatten gedeckte Bungalows und eine stillgelegte Verkaufsstelle, in der nur noch die Kasse stand und die ansonsten gähnend leer war. Neben dem Eingang erinnerte eine Gedenktafel an die feierliche Eröffnung: »Diese Versorgungseinrichtung wurde als Initiativmaßnahme durch die Bauabteilung des VEB Maltrin am 30. 7. 1985 übergeben.« Stellenweise war es, als hätte man die Evakuierungszone von Tschernobyl betreten. Andererseits konnte die wunderbare Feldsteinkirche mit dem alten Friedhof über einiges hinwegtrösten. Man musste den Tatsachen ins Auge blicken: Maltrin war ein bisschen schön und ein bisschen hässlich. Das uckermärkische Dorf par excellence.
Für tiefere Einblicke hatte mir bis dato ein Wandkalender mit Maltrinmotiven genügt, der seit Anfang des Jahres in der Gemeinschaftsküche hing. Immer wenn wir im Landhaus Besuch bekamen, holte ich den Kalender von der Wand und präsentierte ihn genüsslich Blatt für Blatt: Die Lacher wurden mit jeder Seite schriller. Denn nicht eines der Fotos zeigte den schönen See mit dem tollen Ausblick übers Land beziehungsweise den Gegenschuss, der das deutschromantische Motiv des
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