Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
schlüpfte aus ihrem rechten Puschen und putzte mit den Strümpfen den Straßendreck ab, den Konrad und ich auf dem Kachelboden hinterlassen hatten.
»So, Kurtchen, nu lasset ma jut sein.«
Wir wechselten bald auf die andere Seite des Betonweges, wo die Bonsai-Plattenbauten ein wenig Schatten spendeten, und schlurften, niedergedrückt von der Wucht der Hitze und den Schilderungen Bodins, zurück gen Dorfmitte. Die meisten Maltriner hatten sich in ihre kühlen Kachelwohnzimmer auf die Sofas verzogen, nur vereinzelt lagen schlaffe Körper auf Gartenliegen unter den allgegenwärtigen weißen Plastikplanenpavillons. Meine Gedanken kreisten schon allein aufgrund der Affenhitze weiter um den See. Graf Zahl dagegen trieben fiskalpolitische Fragen um.
»Was ich nicht verstehe, ist, warum er sich so über das Gewerbesteuer-Thema aufregt«, sagte Konrad. »Von der Steuergerechtigkeit her gesehen geht das völlig in Ordnung, dass so eine Minigemeinde wie Maltrin einen großen Batzen an den Kreis abgeben muss. Die Idee der Schlüsselzuweisung ist ja gerade der kommunale Finanzausgleich. Die Maltriner nutzen ja auch das Prenzlauer Hallenbad und Krankenhaus. Die sogenannten zentralörtlichen Funktionen.«
»Ich glaub, Bodins Kernanliegen waren auch weniger die fiskalischen Details, sondern eher das, was er zum Schluss sagte, nämlich: ›Wer nicht auf Gerlands Seite steht, ist bei ihm unten durch.‹«
Wir flüchteten uns von Schatten zu Schatten und nahmen in dem besonders schönen Exemplar des Kirchturms eine Auszeit. Ich ließ mich auf der Natursteinmauer des Friedhofs nieder und sprang sofort wieder auf. Die Steine glühten förmlich vor Hitze. Maltrin konnte einem an diesem Tag wahrlich Feuer unterm Hintern machen. Ein Rumoren durchbrach die Stille. Vom Ende der Dorfstraße her nahte ein Mähdrescher, dessen Motorengeräusche sich auf unserer Höhe zu einem Brüllen steigerten und dann langsam wieder ausklangen.
»Plietsch fährt die Ernte ein«, sagte Konrad.
»Wie auch immer, die Sache wird mir langsam zu heiß, Konrad. Ich sehe schon, du musst hier früher oder später das Bürgermeisteramt übernehmen und die Fronten klären. Das bisschen Politik hier in Kleinkleckerdorf erledigst du doch von Berlin aus per SMS …«
Konrad überlegte.
»Bürgermeister ist auf dem Dorf wirklich eine Feierabendbeschäftigung. Am besten gehen wir gleich mal zu ihm hin.«
»Zu ihm?«
»Ja. Hast du denn vorhin nicht zugehört? Hat Bodin doch erzählt, dass Bauer Plietsch den Job kürzlich übernommen hat.«
»Ja, nee – ehrlich gesagt steht mir der Sinn jetzt eher nach Baden.«
»Aber du willst doch sicher, dass du und deine Kinder hier in Zukunft auch noch baden können, oder?«, fragte Konrad, als sei schon Wahlkampf. »Für mich sind noch ein paar sehr entscheidende Fragen offen: Ich möchte schon gerne wissen, wie Plietsch die Sache sieht. Als eher konservativer Landwirt, der aus Westdeutschland stammt, dürfte er für alte Wessi-Feindbilder jedenfalls nicht so anfällig sein. Schnell hin, er ist gerade auf seinen Hof gefahren.«
Der Hof von Großbauer Stefan Plietsch, Wolfgang Schröders Dienstherr, sperrte sich gegen jede romantische Vorstellung von einem lustvollen Leben auf dem Land, hatte so gar nichts vom Country-Style diverser Hochglanzmagazine. Dies war nicht der Sehnsuchtsort mit Fachwerk, Reetdächern, Trockenblumenschmuck und süßen rosa Schweinchen. Dies war ein schmucklos asphaltierter Vorplatz vor einem lang gezogenen gelben Betonklotz, dem Stall, den Wolle immer als »dit jelbe Elend« bezeichnete. Davor war gerade einer der Mähdrescher zum Stehen gekommen, die hier seit Tagen sogar bis spätnachts im Dauereinsatz waren, wodurch im Übrigen auch die schöne Weidenhofruhe ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde. Plietsch erkannte Konrad, winkte und sprang vom Bock. Der Nachmittag schien mehr Rätsel aufzugeben, als Rätsel zu lösen. Wie konnte einer in dieser Ofenhitze am Sonntagnachmittag freiwillig arbeiten? Hatten Landwirte denn wirklich nie eine Minute Freizeit? Und wie schaffte es Bauer Plietsch dann noch, Feierabend-Bürgermeister zu sein? Alles Fragen, die ich Stefan Plietsch irgendwann auch gerne einmal gestellt hätte. Nun ging es erst mal um den See. Mit ausgestreckter Hand hielt Plietsch auf uns zu.
Wie schon sein schnödes Gehöft durchbrach auch seine Erscheinung Erwartungen. Dies war kein Bauer aus dem Bilderbuch. Das fein geschnittene Gesicht des Mittvierzigers, sein korrekt frisiertes
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