Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
schneller pochte. Heinchen war der Betonexperte, der beauftragt war, in dem neuen umgebauten Teil der Scheune die Bodenplatte zu gießen. So weit hatte Fabian mich noch instruiert. Über dem Klingelknopf hing ein Schild aus Salzgebäck, das Familie Heinchen und ihren Hund als bunte Strichmännchen vor einer Sonne zeigte. Was Konrad, Fabian und Jörg aus dem Effeff beherrschten, nämlich den kumpelhaften Schnack mit den Menschen vom Dorf, ging mir eher holprig über die Lippen. Bei mir haperte es allein schon am baupraktischen Wissen. Die Scheunenboys hatten schlichtweg mehr Übung, schließlich machten sie seit Wochen nichts anderes, als durch beharrliches Palavern mit Schröder und der Landbevölkerung den Wissensschatz zu heben, wie man mit platzenden Abwasserleitungen und einer hundertfünfzig Jahre alten Feldsteinscheune zurande kommt.
Ich hingegen lief mit dem latenten Schuldgefühl durch die Gegend, dass ich mir meine Unbeholfenheit im Umgang mit den Ureinwohnern aufgrund meines mangelnden Scheunenengagements selbst zuzuschreiben hatte und deshalb bei dieser neuen Kameraderie auf verlorenem Posten stand. Meines Erachtens gab es an der Milieukluft zwischen uns und den Maltrinern nicht viel zu deuteln: sie Landbewohner, wir Städter; sie Praktiker, wir Akademiker; sie Ostler, wir Westler. Die Kluft, über die Fabian, Jörg und Konrad einfach so hinwegschwadronierten – mich machte sie befangen. Ich kam ja schon ins Schlingern, wenn im Haus mal das Telefon klingelte und einer der Handwerker dran war. Kaum ein Elektriker, Fliesenleger oder Installateur meldete sich mit Namen, geschweige denn leitete er sein Anliegen ein. Hier war es Usus, die Dinge unvermittelt ins Telefon zu bellen: »Ja, noch mal wegen der Überlauftonne für den Weidenhof. Was ist damit jetzt?« Das waren so Fragen, die einen studierten Kommunikationswissenschaftler auf dem falschen Fuß erwischen konnten.
Bei Heinchens öffnete ein kleiner Junge die Tür, starrte mich kurz an und lief direkt wieder zurück ins Haus. Dann erschien das Oberhaupt der Familie. Anders als das Salzgebäckschild an der Klingel glauben machen wollte, war der Mittvierziger Klaus Heinchen alles andere als ein Strich in der Landschaft.
»Tach, watt jibtet?«
»Äh, ich wollte, äh, ich gehöre mit zu den Leuten drüben vom Weidenhof und wollte nur sagen, dass wir am letzten Augustwochenende eine Hofparty machen. Und dass wir uns freuen würden, wenn ihr, äh, Sie auch kommen würden. Es könnte nämlich auch etwas lauter werden. Dafür gibt es Livemusik und nachmittags auch ein Theaterstück für die Kinder. Lohnt sich bestimmt, wird auf jeden Fall sehr schön.«
»Aha. Jut. Danke.«
Es entstand eine unangenehme Redepause, in der mir dämmerte, dass ich zu viel geredet hatte, wohl auch ein bisschen zu freundlich. Obendrein ahnte ich, dass ich meine seltsame Mischung aus Einladung und Entschuldigung in zu hoher Stimmlage vorgetragen hatte, insgesamt zu metrosexuell. Kurz gesagt: zu weibisch.
»Ma watt anderet«, sagte Heinchen, »habta euch schon wat übalecht, wie viel Kubik Beton uff den Scheunenboden jekippt werden solln? Und ob wa jetze den C20/25 F3 nehmen wollen?«
»Also ich kann dazu nichts sagen, äh, vielleicht mal mit Konrad oder Fabian sprechen, die wissen bei solchen Sachen eigentlich am besten Bescheid. Also Konrad ist dieses Wochenende auch da, am besten gleich mal rüberkommen.«
Ich hatte es nicht im Griff. Wieder gab ich viel zu viel Gas, redete zu viel und fuchtelte auch noch unkontrolliert mit den Armen rum. Und dann kam zu allem Übel noch der blöde Vermeidungs-Infinitiv: Von wegen »vielleicht mal mit Konrad reden« und »gleich mal rüberkommen«. Ich hätte mir besser vorher überlegen sollen, ob ich Heinchen nun siezen oder duzen sollte. Oder vorher mal die Scheunenboys fragen. Nun schaute Heinchen meinem Gehampel zu, als ob er mit seinen Jungs schon in der Kindertheatervorstellung säße.
Dann sagte er: »Ja, denn is wohl bessa, ick komm gleich mal rüba. Denn ersma Tschüssi.«
»Tschüssi«, sagte ich und winkte.
Mein erster Auftritt bei den Nachbarn bestätigte meine ärgsten Befürchtungen: Der Uckermärker an sich ist es nicht gewohnt, um zwischenmenschliches Gefühlsgedöns, worunter letztendlich auch Partyeinladungen fallen, große Worte zu machen. Das Dilemma aber bestand darin, dass Gefühlsgedöns für Leute wie mich eine der ganz wichtigen Quellen für Gesprächsstoff war. Nicht so für den Uckermärker. Er war kein
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