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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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wenig durch das Wohnzimmer und die Küche geirrt und dann durch den Garten geschlendert. Es waren viele Leute da, die ich vage vom Sehen kannte, wenn ich auch nicht immer wusste, woher. Auch einige meiner Patienten waren darunter. Die meisten sahen mich wahrscheinlich zum ersten Mal in freier Wildbahn, in normalen Klamotten und mit wuscheligem Haar, was erklärte, warum sie mich ihrerseits ansahen, als käme ich ihnen irgendwie bekannt vor, ohne dass sie mein Gesicht unterbringen konnten. Ich half ihnen nicht auf die Sprünge. Ich nickte ihnen zu und ging weiter.
    Ralph stand mit einer I - LOVE - NY – Schürze am Grill. Er stach in die Würste, wendete Hamburger und schob Hühnerflügel auf eine Schale. »Marc!« Er bückte sich, griff in eine blaue Kühlbox und holte eine Bierdose heraus. »Und deine Frau? Du hast doch hoffentlich deine prächtige Frau mitgebracht?«
    Er drückte mir die eiskalte Bierdose in die Hand. Ich sah ihn an. Ich konnte nichts dafür, ich musste einfach lachen.
    »Was gibt’s da zu lachen?«, fragte er. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dich ganz allein hierhergetraut hast?«
    Ich schaute mich im Garten um, als suchte ich sie. Doch ich suchte jemand anderes und sah sie sofort. Sie stand bei der Terrassentür, durch die ich vor ein paar Minuten nach draußen gegangen war.
    Sie sah mich auch. Sie winkte.
    »Ich werde mal gucken, wo sie sich rumtreibt«, sagte ich.
    Ich muss hier zunächst etwas über mein Aussehen sagen. Ich bin kein George Clooney. Meine Visage würde sich nicht für eine Hauptrolle in einer Krankenhaus-Serie eignen. Doch ich besitze sehr wohl eine gewisse Ausstrahlung oder besser gesagt: den gewissen Blick. Den Blick, der alle Ärzte, von einfachen Hausärzten bis zu hoch bezahlten Spezialisten, miteinander verbindet. Es ist ein – ich weiß wirklich nicht, wie ich es anders ausdrücken soll – ausziehender Blick. Ein Blick, der den menschlichen Körper so sieht, wie er ist. Für uns birgt der Körper kein Geheimnis , sagt der Blick. Ihr könnt ihn verpacken, wie ihr wollt, doch drunter seid ihr nackt . So betrachten wir Menschen. Nicht einmal wie Patienten, sondern wie zeitweilige Bewohner eines Körpers, der ohne periodische Wartung mir nichts, dir nichts entzweigehen kann.
    Ich stand mit Judith auf der Terrasse vor den Schiebetüren. Aus dem Haus plätscherte Musik in den Garten. Etwas Südamerikanisches. Salsa oder so ähnlich. Doch niemand tanzte. Überall standen die Leute in Grüppchen und unterhielten sich. Wir fielen nicht auf, Judith und ich. Wir waren auch ein Grüppchen.
    »Wohnt ihr schon lange hier?«, fragte ich.
    Wir hielten beide einen Pappteller in der Hand, den wir am Büfett im Wohnzimmer vollgeladen hatten. Ich eher mit Fleisch- und Wurstwaren, französischem Käse und Sachen mit Mayonnaise, sie eher mit Tomaten, Thunfisch und etwas Graugrünem, das wie Artischockenblätter aussah, wahrscheinlich aber etwas anderes war.
    »Es ist das Haus meiner Eltern«, sagte Judith. »Ralph und ich haben davor ein paar Jahre auf einem Hausboot gewohnt. Das war lustig, romantisch, wie man es auch nennen will, aber als die Jungen kamen, wurde es doch sehr eng. Und wir hattennatürlich Angst, dass den Kindern etwas passiert. Außerdem hatten wir genug von dem ewigen Geschaukel.«
    Ich lachte, obwohl sie eigentlich nichts Komisches gesagt hatte. Doch die Erfahrung hatte mich gelehrt: Je früher man in einem Gespräch mit einer Frau ein Gelächter anstimmt, desto besser. Frauen sind es nicht gewohnt, dass man über eine Bemerkung, die sie machen, lacht. Sie halten sich nicht für witzig. Und meist liegen sie mit dieser Einschätzung auch richtig.
    »Und deine Eltern?« Ich malte mit der Plastikgabel einen Kreis über den Pappteller. Innerhalb des Tellers. Was nichts anderes bedeuten konnte, als dass ich sie fragte, ob ihre Eltern noch unter uns weilten. Unter den Lebenden.
    »Mein Vater ist tot. Für meine Mutter allein war das Haus zu groß, sie ist in eine Wohnung im Stadtzentrum gezogen. Ich habe noch einen Bruder in Kanada. Er hat uns das Haus überlassen.«
    »Und ist es nicht komisch?«, fragte ich, während ich jetzt mit der Gabel einen größeren Kreis beschrieb ( außerhalb des Tellers). »Ist es nicht komisch, in dem Haus zu wohnen, in dem man aufgewachsen ist? Ich meine, ist es nicht wie eine Rückkehr in die Vergangenheit? Als du noch ein Mädchen warst?«
    Bei dem Wort Mädchen ließ ich den Blick ganz kurz sinken. Zu ihrem Mund. Ihrem Mund,

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