Sommerhaus mit Swimmingpool
er schon eine Freundin?«, fragte ich.
Judith wurde rot, zwar nicht feuerrot, aber doch eindeutig rot.
»Alex? Nein.«
Sie schien noch etwas sagen zu wollen, doch sie schwieg. Wir sahen einander an. Wir dachten beide das Gleiche.
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12
Als Julia und Lisa noch klein waren, gingen wir ab und zu zelten. Das kam vor allem dadurch, dass Caroline in der Zeit, bevor wir uns kennenlernten, viel gezeltet hatte. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Wenn man mit einer Frau verheiratet ist, die gern in die Oper oder ins Ballett geht, geht man eben in die Oper und ins Ballett, so einfach ist das. Caroline schlief gern im Zelt. Also versuchte ich auch, im Zelt zu schlafen. Aber ich lag vor allem wach. Es war nicht einmal so sehr der Gedanke, dass ich mich draußen befand – ungeschützt draußen, von der Welt nur durch einen Lappen Stoff getrennt –, der mich mit offenen Augen ins Dunkel starren ließ. Es war auch nicht der Regen auf der Zeltplane, der Donner, der innen im Ohr zu explodieren schien, der Mief von Umkleidekabinen, wenn ich spät aufwachte und die Sonne schon stundenlang auf die Leinwand gebrannt hatte. Nein, das war es nicht, was mir den Schlaf raubte. Es waren vielmehr die anderen: die Menschheit jenseits der dünnen Zeltplane. Ich lag wach und hörte alles Mögliche. Dinge, die man von anderen Menschen nicht hören möchte. Nicht so sehr das Zelt war die Ursache meiner Schlaflosigkeit als vielmehr der Ort, an dem es stand: auf einem Campingplatz zwischen anderen Zelten.
Eines Morgens war ich mit meiner Geduld am Ende. Ich saß auf dem niedrigen Klappstuhl vor dem Zelt, die Beine ausgestreckt im Gras. Julia fuhr auf ihrem Dreirad auf demKiesweg, der zu den Waschräumen führte, auf und ab. Lisa spielte wenige Meter von mir entfernt in dem klappbaren Laufgitter im Schatten eines Kastanienbaums. »Papa, Papa!«, rief Julia und winkte. Und ich winkte zurück. Caroline holte Milch vom Camping-Laden – in der von gestern schwammen heute Morgen zwei fette Schmeißfliegen.
Ein Mann kam in meine Richtung. Er trug eine kurze rote Hose. Keine normale kurze oder dreiviertellange Hose, sondern ein Modell, das seine weißen Beine bis fast zur Schamgegend unbedeckt ließ. Seine Slipper hatten Holzsohlen, die bei jedem Schritt mit hörbarem Vergnügen gegen seine zweifellos ebenfalls sehr weißen Fußsohlen klatschten. In der rechten Hand trug er ganz ungeniert und für alle sichtbar eine Rolle Klopapier.
Es war ein Gefühl, mehr nicht. Ein widerliches Gefühl. Ich fand es widerlich, dass der Mann nur ein paar Schritte von meiner Tochter entfernt vorbeiging. Ich sah, wie Julia anhielt und zu ihm aufschaute. Das machte es noch widerlicher. Die Vorstellung, dass die dreijährigen Augen meiner Tochter diesen viel zu bleichen, unbedeckten menschlichen Körper in sich aufnahmen. Es war, ich weiß nicht, wie ich es anders nennen soll, beschmutzend . Der Mann beschmutzte ihren Blick mit seinen nackten Beinen, seinen Holzpantinen und seinen widerlichen weißen Füßen. Den Blick eines Kindes.
Ich wusste noch nicht genau, was ich vorhatte, als ich mich aus dem Klappstuhl aufrappelte und dem Mann zu den Waschräumen folgte. »Bleib schön auf dem Weg, Liebling«, sagte ich im Vorbeigehen zu Julia. Ich sah mich noch einmal nach Lisa in ihrem Laufgitter um und ging hinein. Er war nicht schwer zu finden. Ich brauchte nur den Geräuschen zu folgen. Die Toilettenkabinen waren oben offen, und die Türen endeten gut zwanzig Zentimeter über dem Boden. Wer sich auf die Klobrille stellte, konnte in die Kabine des Nachbarn schauen. Ich kniete mich hin. Die kurze rote Hose des Manneshing ihm auf den Knöcheln. Ich sah seine Füße in den Holzsandalen, die viel zu großen weißen Zehen. Der Nagel eines großen Zehs war gelblich verfärbt, wie die Finger eines Kettenrauchers. Nikotinfarben. Ich atmete schwer. Man konnte so etwas behandeln lassen, es gab keinen zwingenden Grund, so herumzulaufen. Wer auch nur ein Minimum an Anstand besaß, ersparte seinen Mitmenschen den Anblick. Nur ein ungehobeltes Arschloch, ein widerliches , ungehobeltes Arschloch ohne jede Sensibilität ließ seine kranken Füße unbedeckt. Wer andere mit klappernden Sandalen noch extra auf sie aufmerksam machte, verspielte definitiv das Recht auf Nachsicht – auf eine Narkose bei einer Notoperation.
Ich kniete immer noch vor dem Klo. Ich schaute jetzt als Arzt. Ich überlegte, was zu tun sei. Solche Nägel boten wenig Widerstand, sie ließen sich leicht
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