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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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Ralph als ›Stanley‹ vorgestellt hatte, drückte Caroline die Hand. »Stanley Forbes«, sagte er. Als er mir die Hand schüttelte, nannte er nur seinen Vornamen. Mir fiel auf einmal ein, woher ich ihn kannte. Stanley Forbes war nicht sein richtiger Name. Er hatte seinen Namen geändert, nachdem er vor etwa fünfundzwanzig Jahren in die USA gegangen war. Jan? Hans? Hans Jansen? Es war ein stinknormaler holländischer Name, aber ich kam nicht drauf. In den ersten Jahren hatte man nichts mehr von ihm gehört, doch inzwischen hatte sich der niederländische Filmregisseur in Hollywood einen Namen gemacht.
    »Und das ist Stanleys Freundin«, sagte Ralph. »Emmanuelle.« Er legte kurz seine Hand auf die Schulter der jungen Frau. »Emmanuelle, these are some friends of us from Holland. Marc and Caroline.«
    Es wäre eine Untertreibung, wenn ich Emmanuelle eine Schönheit nennen würde. Sie gab Caroline die Hand – und es war, als käme die Hand aus dem Umschlag der Vogue . Eine kleine, schmale Hand, fast die eines Kindes. Aus der Nähe sah ich, dass sie kaum fünf Jahre älter als Julia sein konnte. Siebzehn? Achtzehn? Jedenfalls nicht älter als zwanzig. Ich sah zu dem Mann mit dem grauen Haar hin. Sie war nicht zwanzig, sondern vierzig Jahre jünger als er. Hatte sie sich eine Rolle in seinem nächsten Film ergattert, indem sie ihm im Bett gefällig gewesen war? Ich betrachtete das vierzig Jahre ältere Gesicht des Filmregisseurs. Seinen vierzig Jahre älteren Körper, den erin weißes, fast durchsichtiges Leinen gehüllt hatte. Aus dem offenen Hemdkragen quollen graue Härchen.
    Ich stellte mir vor, wie er ihr seinen alternden Leib aufdrängte. Wie er sich neben ihr ausstreckte und seine Hand über ihren Bauch gleiten ließ. Mit seinem Zeigefinger einen Kreis um ihren Nabel beschrieb und dann weiter nach unten glitt. Der Altmännergeruch unter dem Betttuch. Die sich lösenden Hautschuppen. Während sie unterdessen an andere Dinge dachte. An die versprochene Filmrolle vor allem. War es das, wovon Hans   (?) Jansen   (?) geträumt hatte, als er Holland verließ? Von jungen Mädchen, die aus Bewunderung für sein Talent oder im Tausch für eine Rolle in einem seiner Filme an seinem Schwanz rumfummelten?
    Als Letzte trat Judiths Mutter nach vorne. Während ich ihr die Hand schüttelte, musterte ich ihr Gesicht, doch ich hatte nicht den Eindruck, dass sie einen Zusammenhang herstellte zwischen mir und dem Telefongespräch, das ich vor einigen Wochen mit ihr geführt hatte.
    »Herr Schlosser«, wiederholte sie meinen Namen, nachdem ihre Tochter mich vorgestellt hatte.
    »Marc«, sagte ich.
    Ich sah mich nach einem freien Tisch um. Der Junge in Jeans brachte unsere Bestellungen.
    »Ah, ihr wolltet gerade essen«, sagte Ralph.
    »Wir können …«, sagte ich. »Vielleicht wird noch ein Tisch frei. Oder ein paar Stühle …«
    »Wir lassen euch in Ruhe essen«, sagte Judith. »Außerdem ist Mama müde. Wenn ihr noch bleiben wollt«, sagte sie zu Ralph und Stanley Forbes, »If you want to stay …«, zu Emmanuelle, »aber ich gehe dann schon mal mit Mutter voraus. I think it’s better for my mother to go home now. She is very tired .«
    Für einen Moment herrschte Unschlüssigkeit. Auch Ralph sah sich jetzt nach einem freien Tisch und Stühlen um. Caroline schaute zu mir und wendete dann schnell den Blick ab.Julia beugte sich zu Alex, der auf Lisas Stuhl ihr gegenüber saß, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Thomas rannte im Sand hinter Lisa her. Stanley Forbes hatte seinen Arm um Emmanuelles Taille gelegt und sie an sich gezogen. Judiths Mutter stand da, als ginge sie all das nichts an.
    »Ihr bleibt doch sicher noch ein paar Tage?«, fragte Judith. »Kommt doch morgen zu uns zum Essen.«

[Menü]
16
    Professor Aaron Herzl war der Erste, der uns erklärte, warum die biologische Uhr bei Männern anders tickt als bei Frauen. Die Zeiger würden zwar die gleiche Zeit angeben, doch etwas anderes bedeuten. »Es ist wie mit der normalen Zeit«, dozierte er. »Manchmal ist Viertel vor sieben früh, und manchmal ist zehn vor halb sieben schon ziemlich spät.«
    Wir hatten zwei Stunden in der Woche Biomedizin, seinerzeit noch ein Wahlfach. In der Regel saßen mehr Studentinnen als Studenten im Hörsaal. Aaron Herzl ging auf die sechzig zu, aber immer noch wurden Studentinnen rot, wenn er sie direkt ansprach, und fingen an zu kichern. In dieser Hinsicht war er der lebende Beweis für seine eigenen Theorien. Dieselben Theorien,

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