Sommerhaus mit Swimmingpool
derentwegen er wenige Jahre später mit Schimpf und Schande von der Universität gejagt wurde.
»Was ich Ihnen jetzt vortrage, werden meine weiblichen Studenten wahrscheinlich weniger gern hören«, sagte er und spähte in den Hörsaal. »Andererseits ist es schlicht ein Faktum. Daran ist nicht zu rütteln. Es mag ungerecht sein, aber Frauen, die diese Ungerechtigkeit zu akzeptieren in der Lage sind, die erwartet ein langes und glückliches Leben.«
Aus den Bänken im Hörsaal erklang gedämpftes Kichern. Wir, die männlichen Studenten, hatten so unsere eigenen Gefühle unserem Professor für Biomedizin gegenüber. Gemischte Gefühle. Dass die meisten Mädchen den älteren Mannattraktiv fanden, stellte einige biologische Selbstverständlichkeiten auf tönerne Füße. Waren wir nicht jung? Hatten wir nicht junge Samen? Die Aussicht auf ein gesundes Kind war bei jungem Samen achthundert Mal größer als bei altem, hatten wir in der Gynäkologie gelernt. Trotzdem begriffen wir es. Wir begriffen, dass Professor Herzl ein ernst zu nehmender Konkurrent war. Wir machten im Beisein der Mädchen Anspielungen auf seine zweifellos faltigen und mit Altersflecken besäten Geschlechtsteile, doch er hatte ein gewisses Etwas – eine Aura oder, besser gesagt, ein Charisma, das den Hormonhaushalt der Mädchen total durcheinanderbrachte. Auf unsere Kosten.
Professor Herzl hüstelte ein paarmal. Er trug Jeans und einen grauen Rollkragenpulli. Kein Jackett. Bevor er hinter dem Katheder Platz nahm, schob er erst die Ärmel hoch. Dann fuhr er sich mit den Händen durch das graue Haar, das nur noch an den Seiten seines Kopfes wuchs.
»An erster Stelle müssen wir akzeptieren, dass alles der Erhaltung der Art dient. Mit ›alles‹ meine ich wirklich alles . Die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern, die Verliebtheit, die Begierde, wie immer man es auch nennen mag. Die Lust, der Orgasmus. Wir werden zu unserem Gegenüber hingezogen. Wir wollen ihn oder sie anfassen, uns mit ihm oder ihr vereinen. Die Schöpfung ist um ein Vielfaches vollkommener, als manche progressive Denker uns heutzutage weismachen wollen. Nahrhaftes riecht gut, Kot stinkt. Der Gestank warnt uns davor, unsere eigenen Fäkalien aufzuessen. Urin stinkt auch, aber etwas weniger, damit wir in Extremfällen – bei einem Schiffbruch, einer Notlandung in der Wüste – unseren eigenen Urin trinken können. Neun Prozent der Bevölkerung sind homosexuell, neun Prozent sind Linkshänder. Daran hat sich in den fünfzigtausend Jahren der Evolution nichts geändert. Weshalb nicht? Weil bei einem höheren Prozentsatz der Fortbestand der Art in Gefahr ist.Genau genommen ist ein Homosexueller nichts anderes als ein Verhütungsmittel auf zwei Beinen. Der Einfachheit halber lasse ich hier linkshändige Homosexuelle unberücksichtigt, da sie in der Statistik keine Erwähnung finden.« Gelächter im Hörsaal, diesmal wohl eher bei den Jungen als bei den Mädchen. »Der Fortbestand der Art. Darum dreht sich alles. Ich möchte mich jetzt hier nicht mit der Frage beschäftigen, warum unsere Art fortbestehen soll. Auch Bakterien kämpfen ums Überleben. Krebszellen vermehren sich nach Herzenslust. Der Überlebenswille ist die einzige treibende Kraft hinter der Schöpfung. Aber warum ist das so? Oder anders gefragt: Wie ist diese Tatsache zu bewerten? Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein: Ich habe nicht die geringste Ahnung. Der Mensch war auf dem Mond. Dort wächst nichts. Leben hat man dort nicht gefunden. Aber was gibt es an einem kahlen Mond auszusetzen? Einem Mond ohne Pflanzen, ohne Tiere und ohne Staus? Und was sollte an einer kahlen Erde auszusetzen sein? Oder um es nochmals zu fragen: Welches Werturteil müssten wir über eine kahle und leere Erde fällen?« An dieser Stelle hielt Professor Herzl inne und nahm einen Schluck Wasser. »Wer über den Sinn der Schöpfung – den Sinn des Lebens, wenn Sie so wollen – nachdenken möchte, sollte sich erst einmal mit den Dinosauriern beschäftigen. Sie haben unseren Planeten hundertsechzig Millionen Jahre lang bevölkert. Dann starben sie ziemlich plötzlich aus. Viele Millionen Jahre später erschien der Mensch auf der Bildfläche. Ich habe mich immer gefragt, warum. Was war der Sinn dieser hundertsechzig Millionen Jahre? Was für eine Zeitverschwendung! Es konnte kein einziger direkter evolutionärer Zusammenhang zwischen dem Dinosaurier und dem Menschen nachgewiesen werden. Wenn der Mensch und seine Erhaltung so wichtig waren,
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