Sommerhaus mit Swimmingpool
und streckte sich sogar und stellte sich auf die Zehenspitzen, während das Wasser auf ihren Bikini und nackten Bauch spritzte. Sie verschränkte die Hände im Nacken, hob das nasse Haar hoch, als würde sie es hochstecken, und schüttelte es wieder auf.
»Seid ihr vorsichtig?«, rief Judith aus dem offenen Fenster. Es war eine überflüssige Ermahnung: Es war deutlich, dass sich die Mädchen freiwillig nass spritzen ließen. Fasziniert beobachtete ich meine Tochter. Nein, ich irrte mich nicht. Hinter dem Wasserstrahl, oder genauer: hinter dem feinen Schleier von Wassertropfen tanzten die Farben eines Miniregenbogens.
»Wir spielen Miss Wet T-Shirt, Mama!«, rief Thomas, die Hände zum Trichter geformt. »Julia gewinnt.«
»Gar nicht!«, rief Lisa, die gerade über die Treppe aus dem Swimmingpool kletterte. »Jetzt musst du mich nass spritzen, Alex! Du musst mich nass spritzen!«
Judith drehte den Kopf zur Seite und sah mich an. Sie konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Ich hob die Schultern und lächelte zurück.
»Was für nette Kinder sind das doch«, sagte Judiths Mutter. »Du hast Glück, Marc, mit solchen Töchtern. Ich würde gut auf sie aufpassen.« Sie ging vom Fenster weg. »Ich bin müde. Ich glaube, ich lege mich ein bisschen hin.«
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23
Wir saßen uns an dem kleinen Küchentisch gegenüber. Judith hatte sich ein Glas Weißwein eingeschenkt und zwei Eiswürfel hineingetan. Ich hatte mir das dritte Bier aus dem Kühlschrank genommen. Zwischen uns stand ein Schälchen Oliven. Beide hatten wir uns eine neue Zigarette angezündet.
Wir schwiegen und schauten zum Fenster hinaus. Der Wet-T-Shirt-Contest war inzwischen zu Ende. Alex und Julia lagen zusammen in einem Liegestuhl, ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter, ihre Hand lag mit gespreizten Fingern auf seinem Bauch. Thomas und Lisa waren nirgends zu sehen, doch man hörte Stimmen und das Klack-Klack des Tischtennisballs.
Zum ersten Mal seit unserer Ankunft im Sommerhaus waren Judith und ich allein. Ich schaute sie an, schob meine Hand über die Tischplatte, umfasste ihren Mittel- und Ringfinger und zog leicht an ihnen.
»Marc …« Sie legte seufzend die Zigarette auf den Aschenbecher und blickte kurz aus dem Fenster. »Ich weiß nicht, Marc … ich weiß nicht, ob –«
»Wir können einen Spaziergang machen«, sagte ich. »Oder zum Strand fahren.«
Ich zog immer noch an ihren Fingern. Streichelte ihren Handrücken. Wir könnten auch ganz woandershin fahren,dachte ich. Nicht zum Strand, sondern hinauf in die Hügel, auf einem der vielen kurvenreichen Schotterwege an der Küste entlang. Ich erinnerte mich an einen einsamen Parkplatz im Wald, wo wir einmal hingefahren waren. Von dort aus hatten wir über eine Stunde zu Fuß zu einem von Ralphs Strändchen gebraucht. Aber das konnten wir uns sparen. Der Parkplatz reichte völlig.
»Ich weiß nicht. Meine Mutter …«, sagte Judith. »Ich weiß nicht, was sie denkt, wenn sie aufwacht, und wir sind nicht da.«
»Wir legen ihr einen Zettel hin«, sagte ich. »Dass wir einkaufen gefahren sind.« Ich hielt die Bierdose hoch. »Das Bier war alle.«
Judith blickte zur angelehnten Küchentür. »Marc, es fühlt sich … komisch an«, sagte sie fast flüsternd. »Ich hab ein ungutes Gefühl. Meine Mutter, die Kinder. Deine Frau. Ich meine, sie können jeden Moment zurückkommen.«
Ich stellte die Bierdose hin und legte die Zigarette in den Aschenbecher. »Judith …« Ich beugte mich zu ihr hinüber. Sie schaute wieder zum Swimmingpool. »Moment«, sagte sie, zog ihre Hand zurück, stand auf und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Sie drehte sich um und legte den Finger auf die Lippen. »Ich bin gleich wieder da.«
Sie ließ die Tür offen. Sie schlich durch das Wohnzimmer und durch den Gang zu den Schlafzimmern. Ich nahm einen langen Zug an meiner Zigarette. Die erste, die ich vor einer knappen Woche auf dem Campingplatz geraucht hatte, hatte noch wie eine erste Zigarette geschmeckt. Mir war genauso schwindelig geworden wie das erste Mal auf dem Schulhof, als ich elf Jahre alt war. Aber inzwischen schmeckten mir die Zigaretten schon wieder wie vor fünfzehn Jahren, bevor ich zu rauchen aufgehört hatte. Einfach nur wie Zigaretten. Vor ein paar Tagen hatte ich mir sogar ein Päckchen gekauft.
Von den Schlafzimmern waren gedämpfte Stimmen zuhören. Seufzend stand ich auf. Im Kühlschrank war nur noch ein einziges Bier. Es wurde tatsächlich Zeit, dass jemand einkaufen ging.
Als Judith
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