Sommerhaus mit Swimmingpool
gewesen. Die Katze mit dem abgequetschten Schwanz auf der griechischen Insel vor zwei Jahren. Als ich den blutigen Stumpf desinfizieren wollte, hatte sie mich so tief in den Unterarm gebissen, dass ich mir selber eine Tetanusspritze und eine ganze Reihe von ziemlich schmerzhaften Impfungen gegen Tollwut geben musste. Doch es hatte sich gelohnt. Die Dankbarkeit der Katze kannte keine Grenzen. Nach dreiTagen fraß sie uns die Brocken Lammfleisch aus der Hand. Die Wunde heilte schnell, aber an den nur noch drei Zentimeter langen Schwanz musste die Katze sich erst gewöhnen. Es fiel ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten. Als sie einmal in einen Mandelbaum geklettert war, traute sie sich nicht mehr herunter. Es blieb mir nichts anderes übrig, als sie zu holen, aber als ich sie erreichte, schlug sie mir die Krallen so heftig ins Gesicht, dass mein linkes Augenlid riss. Anschließend fiel sie aus fünf Metern Höhe auf den Betonboden der Terrasse. Aber sie blieb uns treu und folgte uns überallhin. Im Haus, im Garten, zum Dorf, wo sie beim Bäcker und Metzger geduldig vor der Tür wartete, bis wir unsere Einkäufe erledigt hatten – und auch die anderthalb Kilometer zum Strand lief sie immer hinter uns her.
Der Abschied fiel schwer. Julia und Lisa weinten bittere Tränen. Nein, wir konnten sie nicht mitnehmen. Ohne die erforderlichen Impfungen dürfe sie nicht mit ins Flugzeug, sie müsste Monate in Quarantäne verbringen. Und selbst wenn, so argumentierten Caroline und ich, würde sie hier auf ihrer Insel nicht viel glücklicher sein? Wo sie ihre Familie hatte und ihre Spielgefährten? Wo sie Mäuse und Eidechsen jagen konnte? Wo das Wetter immer schön war?
»Wo ist denn ihre Familie?«, fragte Julia schluchzend. »Wo war die, als es ihr schlecht ging?«
Wenn ich an diesen letzten Tag zurückdenke, fühle ich immer noch meine Augen feucht werden. Wir hatten der Katze, die schon zum Sprung auf den Rücksitz angesetzt hatte, die Autotür vor der Nase zugeschlagen. Sie rannte hinter uns her, als wir den felsigen Weg hinunterrumpelten, und schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als auszusteigen und Steine nach ihr zu werfen. Unsere Töchter konnten es nicht mit ansehen und lagen heulend auf dem Rücksitz. Caroline drückte sich ein Papiertaschentuch an die Augen. Und auch ich vergoss Tränen. Ich heulte wie ein Kind, als ich den ersten Steinaufhob. Die Katze hielt das Ganze noch für ein Spiel, aber ich traf sie mit dem ersten Wurf am Kopf. Fauchend, den dicken Schwanzstummel wütend in die Luft gestreckt, trollte sie sich.
»Sorry, Berta«, rief ich unter Tränen – Lisa hatte die Katze am zweiten Tag nach einer affektierten Lehrerin ›Berta‹ getauft – »wir kommen bestimmt irgendwann einmal wieder.«
Jetzt betrachtete ich das Vögelchen in meiner Hand und bedauerte, dass ihm nichts fehlte. Es war allerdings sehr klein. Zu klein und zu hilflos, um für sich selbst sorgen zu können.
»Geh mal ins Haus, aber leise, damit niemand wach wird«, sagte ich zu Lisa, »und such einen Karton, einen Schuhkarton oder so. Und bring etwas Watte mit oder einen Waschlappen aus dem Badezimmer.«
»Es gibt hier eine Art Zoo«, sagte Judith. »Bevor du zum Strand kommst, links, die Straße hoch. Wir sind einmal daran vorbeigefahren. Man sieht eine Mauer und einen Zaun und davor ein paar Fahnen. zoo, steht über dem Eingang, und auf der Mauer sind Tiere gemalt.«
Wir saßen auf der Terrasse und frühstückten. Das Vögelchen lag in einem Weinflaschen-Karton, der eigentlich viel zu groß war. Wenn man über den Rand schaute und sah, wie es sich in einer Ecke an den Waschlappen schmiegte, musste man unwillkürlich an einen Gefängnishof denken.
»Was meinst du?«, sagte ich zu Lisa. »Es ist nicht krank und auch nicht verletzt. Es ist bloß ziemlich klein. Zu klein, um für sich selber sorgen zu können. Sollen wir es in den Zoo bringen?«
Lisa machte ein ernstes Gesicht. Sie hatte den Karton auf den Stuhl neben sich gestellt. Alle zwanzig Sekunden warf sie einen Blick hinein. »Es trinkt«, sagte sie dann. Oder: »Es zittert wieder.«
Ich rechnete damit, nein, ich hoffte , Lisa würde sich gegenden Zoo entscheiden und selber für das Vögelchen sorgen wollen. So lange, bis es auf eigenen Füßen stehen konnte. Dann würden wir es freilassen. Von einem Vogel erwartet man nichts anderes, als dass er fliegen, dass er sich eines schönen Tages in die Lüfte schwingen will.
Es wäre ein wunderbarer Augenblick. Ein
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