Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
Vom Netzwerk:
harten Schnurrbart, von der man einen Gutenachtkuss bekam, der Lehrer im Waschraum des Sommerlagers – zwischen dem unteren Teil seines Rückens und seinen Pobacken ist kein deutlicher Übergang, unterhalb des Steißes verschwindet die Haut in einem zusammengekniffenen Spalt, der Mann wäscht seinen dünnen, bleichen Schwanz mit einem rosa Waschlappen. Nach dem Sommerlager konnte man sich nicht mehr auf das gleichseitige Dreieck konzentrieren, das er an die Tafel zeichnete.
    Weit aufgerissene, tränende Augen erinnern mich an Spiegeleier. Spiegeleier, die nicht lange genug gebraten sind, deren Eigelb und Eiweiß noch glibbrig in der Pfanne liegen wie eine Qualle am Strand.
    Jemand rüttelte an der Klotür.
    »Es ist besetzt«, rief ich auf Niederländisch. »Das sehen Sie doch.«
    Ich konnte mein beschädigtes Auge höchstens ein paar Sekunden aufhalten. Nicht nur, weil es so ekelhaft aussah, sondern auch, weil es so wehtat. Als hätte jemand eine brennende Zigarette hineingedrückt – in das Spiegelei , musste ich sofort denken.
    Wieder wurde an der Tür gerüttelt, gefolgt von drei Schlägen. Eine Männerstimme brummte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand.
    »Herrgott noch mal«, rief ich.
    Ich blinzelte ein paarmal mit dem Auge. Doch es war sinnlos. Ich bekam es nicht mehr auf, ohne dass der Schmerz unerträglich wurde. Fluchend zog ich ein Stück Klopapier von der Rolle, knüllte es zu einem Ball und hielt es unter den Wasserhahn. Die nasse Kugel am Auge verschaffte mir einen Augenblick der Erleichterung.
    »Das Warten hat sich gelohnt«, sagte ich zu dem Mann in ärmellosem T-Shirt, der im dämmrigen Gang vor der Toilettentür stand. »Das Bad ist frei!« Im Vorbeigehen fiel mir auf, dass sein unrasiertes Gesicht schweißüberströmt war. Irgendwie kam er mir bekannt vor, und auch er sah mich an, als versuchte er, mich irgendwie unterzubringen.
    »I sorry« , sagte er mit einem Grinsen. »I hurry.«
    Mein Blick wanderte zu seinen nackten Schultern und Armen. Auf der einen Seite hatte er einen Vogel tätowiert, es sollte wohl ein Adler sein, mit einem triefenden roten Herzen zwischen den Klauen. Auf der anderen Seite sah ich etwas verschmiertes Blut, als habe er sich an einer Wunde oder einem Mückenstich gekratzt.
    Der Mann folgte meinem Blick und berührte die Stelle, rieb ein wenig darüber, bis nur noch ganz dünne rote Streifen sichtbar waren. Wir nickten einander zu, wie alte Bekannte, dann verschwand er in der Toilette.
    Bevor ich auf die Terrasse hinausging, sondierte ich die Lage. Doch an der Strandbar, wo mich die Männer vor kaum einer Viertelstunde in den Sand gedrückt hatten, war kein Mensch zu sehen. Von Ralph und Stanley und den drei Mädchen keine Spur. Den feuchten Papierball gegen das Auge gedrückt, zwängte ich mich zwischen den Tischen hindurch. Vielleicht bildete ich es mir ja nur ein, aber es kam mir so vor, als hätte mein Auge inzwischen angefangen zu klopfen – nicht so sehr das Auge selbst als vielmehr der Raum dahinter, wo sich die Muskeln und Sehnen befinden, die es in seiner Höhle an der richtigen Stelle halten. In den Vorlesungen über Augenheilkunde hatte ich immer nur so getan, als würde ich aufpassen. Bei jedem Dia, das der Professor auf die Leinwand projizierte, verkroch ich mich tiefer in die Bank. Auf einem war ein Auge zu sehen gewesen, das nur noch mit ein paar Sehnen aus der Höhle hing. Ich muss so laut gestöhnt haben, dass der Professor seine Vorlesung unterbrach und sich erkundigte, ob jemand im Saal schlappmache.
    Das Pochen hinter meinem Auge ging nahtlos in den Bassrhythmus über, der aus den auf der Terrasse aufgestellten Lautsprecherboxen dröhnte.
    Vielleicht weil ich mit meinen Gedanken woanders war oder auch wegen der Sache mit dem Auge, jedenfalls übersah ich die junge Frau an einem der letzten Tische, die plötzlich von ihrem Stuhl aufstand. Sie erwischte mich mit der Schulter an der Nase. Ich strauchelte, machte ein paar Schritte rückwärts und landete auf dem Schoß eines nahezu nackten Mannes.
    »Oh, Entschuldigung.« Ich griff mir an die Nase und beguckte meine Finger, an denen aber kein Blut zu sehen war.
    »Es tut mir leid«, sagte ich zu der Frau. Bevor sie ihrem besorgten Blick ob meines lädierten Auges Worte folgen lassen konnte, sagte ich: »Alles in Ordnung. Kein Grund zur Beunruhigung.«
    Die Frau war nicht groß, dafür aber dick. Und zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit kam mir ein Gesicht bekannt vor. Diesmal dauerte es

Weitere Kostenlose Bücher