Sommerhaus mit Swimmingpool
Klappe.«
Sie starrte mich einen Augenblick an, dann ließ sie Alex los.
»Entschuldige«, sagte ich, dann wandte ich mich an den Jungen. »Julia, wo ist Julia?«
»Ich … ich weiß es nicht«, stammelte er. Und fing dann an zu erzählen, in unzusammenhängenden Bruchstücken. Es fiel mir schwer, ihn nicht ständig zu unterbrechen. Konzentrier dich, befahl ich mir. Spitz die Ohren. Deine Arztohren. Darauf verstand ich mich – innerhalb einer Minute eine Diagnose zu stellen. In den restlichen neunzehn Minuten konnte ich meinen Gedanken nachhängen.
Sie – Alex und Julia – seien zu der anderen Strandbar geschlendert. Sie hätten dort etwas getrunken. »Cola, Mama, ich schwör es«, beteuerte er. »Und Julia Fanta.« Eine Zeit lang hätten sie den tanzenden Leuten zugeguckt. Julia habe auch tanzen wollen, aber er habe keine Lust gehabt. Sie habe keine Ruhe gegeben, er solle sich nicht so anstellen, nun komm schon, los, komm, lass uns tanzen. Er habe aber einfach nicht gewollt. Außer ein paar Jugendlichen waren nur Erwachsene da. Und auch die Jugendlichen waren älter als sie. Sie waren echt die Jüngsten. Er habe sich unbehaglich gefühlt. Lass uns zurückgehen, habe er gesagt. Sie machen sich bestimmt schon Sorgen, wo wir so lange bleiben. Sie habe ihn eine Lusche genannt, und dass er sich nicht traue – und dann sei sie allein auf die Tanzfläche gegangen. Er habe ihr von der Theke aus eine Zeit lang zugeschaut, wie sie sich durch die tanzende Menge drängte und schließlich selber zu tanzen anfing. Sie schaute sich nicht mehr nach ihm um. Sie tanzte. Erst mit einer Gruppe Mädchen, die alle älter waren als sie, aber dann kamen auch Jungen dazu. Und er konnte sich nicht entscheiden. Ob er nicht doch zu ihr gehen solle, dann wäre alles wieder wie vorher gewesen – aber er hatte Angst, sie würde ihn erst recht auslachen … Die Geschichte kam mir bekannt vor. Es war die Geschichte aller Männer und schon aus dem Grund glaubwürdig. Er war auch sauer auf sie gewesen, weil sie ihn einfach so stehen ließ. Irgendwann war er weggegangen, zum Strand. Er werde es ihr mit gleicher Münze heimzahlen. Sie würde ihn suchen, und dann würde sie ihn eben nicht mehr finden. Er stand eine Zeit lang am Meer, höchstens ein paar Minuten. Seine Wut legte sich, und er ging langsam zurück. Er würde sie überraschen. Er würde mit ihr tanzen. Aber sie war nicht mehr da. Sie war weg. Er suchte sie überall zwischen all den Leuten, manchmal glaubte er, sie zu sehen, aber dann war es ein fremdes Mädchen. Er lief um die ganze Strandbar herum, schaute sogar in den Damentoiletten nach. Er überlegte. Hatte sie sich gelangweilt und ihn gesucht? War sie, als sie ihn nicht fand, zurückgegangen? Zum Strand, wo seine Eltern waren. Seine Eltern und ihr Vater. Hattest du dein Handy nicht dabei?, unterbrach Judith ihn. Was hätte das geändert?, dachte ich. Julia hatte ihres schließlich nicht dabei oder ausgestellt … Aber so blöd war die Frage auch wieder nicht, dachte ich im nächsten Moment. Er hätte uns anrufen können. Seine Mutter. Nein, sagte Alex. Ich habe es zu Hause gelassen, es war nicht aufgeladen. Er war noch mal um die Bar herumgegangen, hinter der die Felsküste begann. Er hatte ein paarmal gerufen. Und war schließlich zurückgegangen. Nach einer Weile fing er wieder an zu zweifeln. Würde Julia so was machen? Würde sie wirklich allein das ganze Stück im Dunkeln zurückgehen? Nein, dachte er. Das würde sie nie tun. Nicht einmal, um es ihm heimzuzahlen. Also ging er wieder zur Bar. Fragte bei den Barkeepern nach. Ein dreizehnjähriges Mädchen mit langem blondem Haar müsste ihnen doch aufgefallen sein! Die Musik war so laut, dass er schreien musste. Und die Barkeeper konnten kaum Englisch. Trotzdem – einer erinnerte sich an Julia. Seine Beschreibung passte jedenfalls auf sie. Er habe sie gesehen, auf der Tanzfläche, aber das sei schon eine ganze Weile her. War sie mit jemandem zusammen, war sie allein weggegangen? Der Barkeeper zuckte mit den Schultern. Tut mir leid. Irgendwann war sie nicht mehr da. Alex wusste nicht, was er machen sollte. Sollte er noch mehr Leute fragen? Sollte er sich noch mal auf die Suche machen? Oder war es doch besser zurückzugehen? Zu uns?
Ich dachte inzwischen fieberhaft nach. Es dauerte alles viel zu lange. Ich spürte keine Panik, eher eine Art eiskalter Ruhe. Mein Herz klopfte nicht schneller, eher langsamer. Handeln. Darauf verstand ich mich.
»Aber seid ihr beide
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