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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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doch das unbehagliche Gefühl, dass er etwas verschwieg.
    »Marc«, sagte Caroline und legte mir die Hand auf den Arm. »Du bist Arzt. Wie schlimm ist es mit ihr? Muss sie ins Krankenhaus? Oder braucht sie vor allem Ruhe? Wenn sie sich ein paar Tage erholt hat, fahren wir nach Hause.«
    »Sie braucht nicht ins Krankenhaus. Sie erinnert sich an nichts. Ich meine, sie weiß, dass etwas passiert ist, wahrscheinlich auch, was. Sie ist dreizehn. Ich habe ihr etwas gegen den Schmerz gegeben. Aber sie ist … sie fühlt …«
    Meine Stimme brach, es kam nur ein hoher Ton aus meiner Kehle, ich bekam einen Hustenanfall. Caroline legte die Hand auf meinen Arm.
    »Okay«, sagte sie. »Dann machen wir das so. Sie soll sich noch einen Tag ausruhen. Morgen. Und dann fahren wir Montag los, wenn du meinst, dass es nicht zu anstrengend für sie ist. Wir können ein Bett für sie machen auf dem Rücksitz.«
    »Wir sollten besser gleich morgen …« Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es war halb drei in der Früh. »Wir sollten besser heute noch losfahren. Sobald es hell ist.«
    »Ist das nicht etwas überstürzt? Wir haben noch kein Auge zugemacht. Und für Julia …«
    »Es ist einfach das Beste«, unterbrach ich sie. »Für sie. Wir müssen schleunigst weg von hier. Nach Hause.«

[Menü]
35
    Es war ein paar Stunden später. Ich saß noch immer vor dem Apartment und rauchte – Caroline hatte sich zu Julia ins Bett gelegt –, als Ralph die Außentreppe herunterkam.
    »Ich dachte, das ist jetzt vielleicht genau das Richtige.« Er hatte eine Flasche Whisky unter dem Arm und zwei mit Eiswürfeln gefüllte Gläser in den Händen.
    Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Irgendwo in den vertrockneten Sträuchern auf der anderen Seite des Swimmingpools konnte eine Grille nicht genug davon kriegen, ihre Flügel aneinanderzureiben. Das und das Klirren der Eiswürfel waren die einzigen Geräusche. Am östlichen Himmel zeigte sich der erste Streifen Licht. Ich starrte auf das unbewegte Wasser im Swimmingpool, das von unten beleuchtet wurde. Schaute zum Sprungbrett. Es war dasselbe Sprungbrett wie gestern, und trotzdem war es ein anderes. Auch die Terrasse und das Sommerhaus waren eine andere Terrasse und ein anderes Sommerhaus. Aber sie konnten mir gestohlen bleiben, die Terrasse, das Sommerhaus und der Swimmingpool. Ich wollte nach Hause.
    Ralph strich sich über das rechte Knie. »Das war ein guter Tritt, Marc. Wo hast du das gelernt? Beim Militär? Während des Studiums?«
    Von außen war nichts zu sehen, es war ein normales behaartes Männerknie, doch innen waren alle Muskeln und Sehnen bestimmt überdehnt. Ich hatte nicht darauf geachtet, als er die Treppe heruntergekommen war und sich neben mich gesetzt hatte, aber aller Wahrscheinlichkeit nach würde er noch ein paar Tage humpeln.
    »Was hast du danach gemacht?«, fragte ich. »Bist du gleich nach Hause gefahren?«
    »Ich bin noch etwas spazieren gegangen. Am Meer entlang. Na ja, spazieren … humpeln. Am Anfang habe ich wenig gespürt, aber dann fing es an, ziemlich wehzutun.« Er klopfte auf das Knie. »Ich dachte, was mache ich hier eigentlich? Ich fahre nach Hause.«
    Ich musste mir eingestehen, dass ich bei meiner zeitlichen Rekonstruktion Ralphs Knie nicht mit einkalkuliert hatte. Ich hatte mich gefragt, ob er die ganze Strecke zur anderen Strandbar hin- und zurückgegangen sein konnte. Und ob er, als Judith ihn anrief, im Sommerhaus gewesen sein konnte. Doch an das Knie hatte ich keine Sekunde gedacht.
    Warum sollte Ralph Meier mit einem schmerzhaften Knie mehr als einen Kilometer zu der anderen Strandbar laufen? Und wieder zurück. Es kam mir nicht nur unwahrscheinlich vor, sondern physisch so gut wie unmöglich.
    »Du darfst vor allem nicht stillsitzen«, sagte ich. »Sonst wird das Knie steif.«
    Ralph streckte sein rechtes Bein und bewegte die dicken Zehen im Slipper. Er stöhnte und biss sich, wie ich aus den Augenwinkeln sah, auf die Lippen. Wenn es gespielt war, dann gut. Ich schloss nichts aus. Das ganze Gejammer über sein Knie konnte eine Finte sein. Es verschaffte ihm eine Art Alibi.
    »Ich habe gerade mit Stanley und Emmanuelle gesprochen«, sagte er. »Ihr könnt so lange in der Wohnung bleiben, wie ihr wollt. Wir finden schon eine Lösung.«
    Ich wollte ihm antworten, es sei nicht nötig, weil wir in ein paar Stunden abreisen würden, hielt dann aber noch rechtzeitig den Mund. Wer weiß, vielleicht war er ja erleichtert darüber, und ich wollte

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