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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Gegenteil.« Wir prosteten einander zu. Sie musterte mich.
    »Ich habe das Gefühl, Sie zu kennen.«
    »Das ist ein schönes Kompliment.«
    »Nein.« Sie lachte. »So meine ich das nicht. Ich habe das Gefühl, dass wir uns wirklich kennen. Persönlich.«
    Ich war wieder versucht, mich ihr zu offenbaren, aber auf die halbe Stunde kam es jetzt auch nicht mehr an.
    »Wie ist es für Sie, hier in der … Schlangengrube?«
    Tine lächelte ironisch, fast wie Minka. »Ich habe gedacht, es würde gruselig werden. Wissen Sie, ich zählte früher, also damals«, sie wies auf das Transparent über der Bühne, »zu den Außenseitern. Zu den Leuten, die schikaniert wurden. Von dem da und den anderen beiden« – sie nickte in Richtung des Triumvirats – »eigentlich aber von fast allen.«
    »Oh.«
    »Heute, rückblickend, bin ich fast froh darüber, dass sie mir Gelegenheit gegeben haben, mich mit mir selbst zu beschäftigen, meine Stärken zu entdecken. Ich musste nicht mit einer blöden Clique rumhängen, idiotische Musik hören und Starschnitte aus der BRAVO schnippeln. Wie diese Damen dort.«
    Sie zeigte auf
die Sabines drei
.
    »Die haben heute noch nicht begriffen, worum es im Leben geht, was das Leben ausmacht«, fuhr sie fort. »Vielen anderen hier geht es ebenso. Und das … ich schäme mich fast, es zu sagen. Es amüsiert mich.«
    Ein Martin, der aus der Verlierergruppe, und Heiko hatten sich zu uns gesellt. Das mit Schweinescheiße besudelte Zimmer war fast vollständig, und Arndt würde nicht kommen.
    Martin nickte zu dem, was Tine gesagt hatte.
    Heiko lächelte schmal.
    »Das ist das Gute, was man über diese Zeit sagen kann«, meinte er, dieser Riese mit den Spezialschuhen, derzeit tätig als musikalischer Direktor an einer Oper in Italien. »Aber es verklärt ein wenig, was seinerzeit geschehen ist.«
    Martin, inzwischen evangelischer Pfarrer, verzog das Gesicht. »Und niemand will darüber reden. Niemand
wird
darüber reden.«
    Wir sprachen über alte und neue Zeiten, darüber, was aus wem geworden ist, was mir viel Zurückhaltung auferlegte, denn ich wusste mehr als die drei. Erstaunlicherweise wussten sie
einiges
.
    Aus den Lautsprechern erklang ein dumpfes Pochen, Gerry schlug mit der Handfläche gegen den Ploppschutz des Mikrophons.
    »Leute, bevor wir zum gemütlichen Teil des Abends übergehen, wird Martin Gold hoffentlich noch ein paar Songs für uns spielen.« Er sah zu mir. »Bitte.« Dabei verneigte er sich, was lächerlich aussah.
    Plötzlich war ich aufgeregt, spürte mein Herz schneller schlagen. Bis zu diesem Augenblick hatte mir die Rolle des vermeintlich neutralen Beobachters gut gefallen, ich hatte zeitweise fast vergessen, einer von ihnen zu sein, der ich ja auch nie war. Ich nickte meiner Gruppe zu, nahm noch Tines Hand und flüsterte ihr ins Ohr: »Bitte nicht böse sein. Du wirst verstehen, warum ich es tun muss.«
    Sie zog die Stirn kraus, lächelte aber.
    »Du?«
    Ich zuckte mit den Schultern und schlenderte betont langsam zur Bühne. In meinen Eingeweiden rumorte es. Es war eine andere Form von Lampenfieber als vor richtigen Auftritten, leider eine deutlich schlimmere. Ich erwog, einen Rückzieherzu machen, einfach drei Stücke zu spielen und dann auf mein Zimmer zu gehen. Aber Chrissie stand neben der Bühne und fing mich ab.
    »Setz diesem unwürdigen Schauspiel ein Ende,
bitte «
, bat sie mich leise.

Kommssie, kommssie, kommssah!
     
    Ich setzte mich auf den Barhocker, richtete den Mikrophonständer aus, gab dem DJ mit einer Geste zu verstehen, dass ich das Playback und das Video noch nicht gleich benötigte. Dann wandte ich mich dem Publikum zu. Sie waren wieder näher an die Bühne gerückt, hatten kurz applaudiert. Herr Bährmann stand jetzt direkt vor mir, hinter ihm das Triumvirat, dann
die Sabines drei
. Einige der Jugendlichen waren ebenfalls aufgestanden, hingen seitlich vorm Podest herum und gaben sich lässig, aber ich freute mich trotzdem. Kurz. Dann fiel mir wieder ein, was ich zu tun beabsichtigte.
    »So ein Klassentreffen ist eine feine Sache«, sagte ich. »Es ist Ihr erstes, wie ich erfahren habe. Meines übrigens auch.« Ich räusperte mich. Natürlich verstand niemand, wie ich den letzten Satz gemeint hatte.
    »Ich würde Ihnen – euch – gern eine Geschichte erzählen, bevor ich zum Abschluss noch etwas singe, speziell für diesen ganz besonderen Abend. Die Geschichte handelt von einem Jungen. Nein.« Ich unterbrach mich und beugte mich zu Chrissie hinunter, die

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