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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Seitenblick, dass der DJ inzwischen hinter seinem Tischchen stand und herumfuhrwerkte.
    »Wir sehen uns später noch«, sagte ich erleichtert. »Die Arbeit ruft.«
    Begleitet von Beifallsbekundungen und versuchtem Schulterklopfen, unter dem ich mich wegduckte, schlenderte ich zur Bühne. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, dass der bekannte Musiker unter den Gästen weilte. Ich erkannte nicht jeden, der sich mir in den Weg stellte, aber die mikrosome Frau, die allein neben der Bühne stand und mich herzlich anlächelte, war sehr leicht einzuordnen.
    Beinahe hätte ich erfreut »Tine!« gerufen. Stattdessen nahm ich die schmale Hand, die sich mir von unten entgegenstreckte, und sagte so freundlich wie möglich »Hallo«.
    Tine Hartlieb war natürlich nicht größer geworden, dafür schöner. Sie war schmal, grazil, trug die dunkelblonden, langen Haare offen und war vorzüglich gekleidet, eigentlich overdressed in ihrem eleganten Maßkostüm. Sie besaß eine Model-Agentur und vermittelte ausschließlich kleine Menschen. Ihre Karriere hatte auf diese Weise begonnen, wie ich dank György wusste; mit einundzwanzig hatte man sie entdeckt, womit sieben Jahre auf Laufstegen und in Fotoateliers begannen – es existierte eine Klientel für Models in Sondergrößen. Einige Fotos, die in dieser Zeit entstanden waren, hatte ich gesehen. Ausdrucksstarke Bilder von einer Person mit sehr eigener Ausstrahlung. Zu Schulzeiten hatte das niemand bemerkt,Falk Lutter eingeschlossen. Als sich das Verfallsdatum ihrer Model-Laufbahn näherte, hatte sie die Zeichen der Zeit richtig interpretiert und war auf die andere Seite gewechselt. Ihre Agentur betrieb Büros in Paris, Rom, Rio und, originellerweise, in Reykjavík; Tine war vielleicht nicht steinreich, verfügte aber über ein Auskommen, das ihr ein sorgenfreies Leben ermöglichte, und genau so sah sie aus: sorgenfrei. Wenn es etwas in ihrem Gesicht gab, das auf Unzufriedenheit schließen ließ, war das vermutlich der Tatsache zu verdanken, dass sie hier und heute zwischen diesen Leuten stand, die sie vermutlich genauso wenig gerne wiedersah wie ich, aber ich ahnte auch, dass etwas in ihr diesen Moment genoss.
    Ich schüttelte die schmale Hand sehr lange und kämpfte gegen den starken Wunsch an, mich mit meinem früheren Namen vorzustellen.
    »Sie retten meinen Abend«, erklärte sie und strahlte dabei.
    »Dito«, sagte ich.
    Tine lehnte sich zur Seite und sah an mir vorbei. Ich drehte mich um, wir waren allein, wurden aber beobachtet.
    »Unter uns«, flüsterte sie. »Das hier ist eine Schlangengrube.«
    »Das Gefühl habe ich auch«, antwortete ich und schenkte ihr den Versuch eines Lächelns.
     
    Der Diskjockey war in unserem Alter, also Mitte vierzig, hatte noch zu DDR-Zeiten mit Tonbandkassetten aufgelegt, trug ein ausgewaschenes »Puhdys«-Shirt, roch nach Zigaretten und Pizza. Er begrüßte mich freundlich, aber nicht sehr interessiert. Die Anlage war eigentlich nicht für Livedarbietungen geeignet, sein Pult hatte nur einen Mikrophoneingang. Die Kabel für das Gitarrenmikro lagen unbenutzt am Boden.
    »Ich mache das ohne PA«, erklärte ich nach kurzem Nachdenken. »Müssen die Leute eben leise sein.«
    Er nickte.
    »Allerdings«, sagte ich und zog eine DVD aus der Jackentasche. »Ich singe am Anfang des zweiten Sets ein Stück als Halbplayback. Dazu brauche ich das Mikro und das Video auf dieser DVD als Einspieler, über den Projektor.«
    Er nickte wieder. »Kriege ich hin«, sagte er dann, zog eine Schachtel »f6« hervor und schlenderte zum Ausgang. Natürlich war das Rauchen hier verboten.
    Die rothaarige Sabine bestieg zwanzig Minuten später die Bühne, kämpfte eine Weile mit dem ausgeschalteten Mikrophon, bis sich der DJ betont gemächlich erbarmte, und begrüßte dann kurz auf etwas peinliche Weise die Gäste. Mit ihrem SATC-Shirt, den dunkelblauen Leggins, die ihren Unterkörper zu einem fast gleichschenkligen Dreieck formten, der übertriebenen Gesichtstünche und den mies gefärbten Haaren erinnerte sie mich an die Figuren, die auf privaten Sendern durch Nachmittagsshows gereicht wurden. Stotternd und wie eine Irre grinsend verkündete sie, was es für eine
totale
Freude wäre, uns alle zu sehen, ergänzt um die Mitteilung, die Organisation wäre einfacher gewesen, wenn sich mehr Ehemalige bei »StayFriends« eingeschrieben hätten. Es fiel mir schwer, mich bei diesen Worten zu beherrschen und nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Freunde
bleiben
? Wir waren

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