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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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György stand auf, stellte sich vor uns und starrte mich nachdenklich an. Ich erhob mich und umarmte den alten Ungarn abermals. Er schnaufte laut. »Ich vermisse dich jetzt schon«, wiederholte er.
    »Ich dich auch, alter Geheimdienstler.«
    Nachdem er gegangen war, zum Restaurant, keine zweihundert Meter hinter uns, legte mir Karen den Arm um den Nacken und zog mich zu sich.
    »Ich liebe dich«, sagte sie leise.
    »Ja. Es gibt kaum Momente, in denen ich das nicht denke und es fassen kann. Wow.«
     
    Zum fünften Jubiläum des Hotel-Restaurants »Goldküste« war die gesamte Familie angereist – meine Eltern, Mike, mein anderer Neffe Marcus, meine Stieftochter Nicole und natürlich Sonja. Michael hatte darauf bestanden, den Existenzgründungszuschuss als Darlehen zu betrachten, gegen meinen energischen Widerstand, und inzwischen gehörte ihm die feine Herberge auf Usedom – innerhalb von drei Jahren hatte er meine Investition auf Euro und Cent zurückgezahlt. Aber nicht nur das war Anlass zu Stolz. Die »Goldküste« erwartete ihren ersten Stern, wurde von der Fachpresse gefeiert, und Reservierungen waren während der Saison inzwischen ähnlich schwierig zu bekommen wie zu Ostzeiten in den wenigen Restaurants hier auf Usedom – mit dem Unterschied, dass bei Michael tatsächlich immer alle Tische vergeben waren.
    Die weiße Villa ähnelte vom Baustil her jenem Ferienheim, in dem wir Sonja ausfindig gemacht hatten, verfügte aber über nur zwei Stockwerke und befand sich in eindeutig besserem Zustand. Im Obergeschoss wohnte mein Neffe, außerdem gab es dort vier gemütliche Gästezimmer, für die die Wartezeit inzwischen in Jahren veranschlagt wurde. Die gesamte untere Etage nahm das Restaurant ein, in dem schlichte Eleganz herrschte. Michael hatte auf das ortsübliche Herumgetue mit Buddelschiffen, alten Fischernetzen, Muscheln und sonstigem Schnickschnack verzichtet. Im Eingangsbereich hing in einem Glasrahmen die Goldene Schallplatte, die ich vier Jahre nach Erscheinen dann doch noch für »Klasse« erhaltenhatte, darunter ein Foto von mir mit dem neunjährigen Michael auf den Schultern. Wie immer, wenn ich an diesem Ensemble vorbeikam, fühlte ich Glück und eine Form von Zufriedenheit, für die Buddhisten jahrzehntelang im Schneidersitz herumhocken müssen.
     
    An diesem Abend war die »Goldküste« für die Öffentlichkeit geschlossen, an der Tafel saß nur Familie – und György natürlich. Als ich ihn jetzt sah, im noblen Dreireiher, am Hals gekrönt von einem Seidenschal, verspürte ich einen Anflug von Traurigkeit. Sein Blick sagte dasselbe.
    Der Platz vor Kopf war für mich reserviert, beiderseits davon saßen schon meine Eltern, die verdammt noch eins auch schon über sechzig waren, aber keine Sekunde älter als fünfundfünzig wirkten. Meine Mutter strahlte, das Gesicht meines Vaters zeigte immer noch diesen Ausdruck überraschter Fassungslosigkeit, den er seit über zwanzig Jahren mit sich herumtrug. Beide waren sonnengebräunt, was wenig wunderte, denn sie lebten auf der Kanareninsel La Palma, betrieben dort einen kleinen Hof, der die umliegenden Restaurants mit Biogemüse belieferte, ohne dass sie tatsächlich auf diese Einnahmen angewiesen waren – schließlich hatten sie einen Sohn, der kaum etwas lieber tat, als seinen Erfolg mit jenen zu teilen, die er liebte. Und ich liebte sie über alles, meinen hageren, großen Vater, meine zurückhaltende, elegante Mutter, die immer noch ihre Kleider selbst nähte, meine vor Stolz platzende Schwester, Mike, Marcus, Michael, György und, auf noch ganz andere Art natürlich, Karen – und meine Stieftochter Nicole, die hübsche, inzwischen neunzehnjährige Prinzessin, die den Restaurantinhaber und … gab es dafür eine Bezeichnung? …
Stiefcousin
keine Sekunde aus den Augen ließ.
    Ein Kellner brachte die
amuse-bouche
, außerdem Champagner und Bier für mich und meinen Vater, der das exzellentgezapfte Nullfünfer Wernesgrüner bestaunte wie ein päpstlich legitimiertes Wunder. Nachdem wir die Happen verschlungen hatten, erhob er sich. Meine Mutter legte ihm eine Hand auf den Unterarm, lächelnd.
    »Klausi,
bitte

    Er sah sie kurz irritiert an. »Irgendwer muss doch etwas sagen. Eine Rede halten.«
    Sie schüttelte bedächtig den Kopf. »Wir alle wissen, was du sagen willst. Aber es ist wirklich nicht nötig.«
    Er nickte, lächelte schüchtern, umarmte und küsste meine Mutter – und setzte sich wieder.
    Wir aßen, tranken und feierten bis zum

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