Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
Vom Netzwerk:
auch«, sagte ich dann.
    Weil Karen längst saß, befand sich nun Tobi zwischen uns, aber ich mühte mich, das leicht beißende Gefühl, das dadurch in mir aufkam, zu unterdrücken. Bei einer schwarzhaarigen, glanzäugigen Kellnerin, kaum älter als wir, bestellte ich ein Bier, bestellte ich ein Bier, bestellte ich ein Bier – Falk Lutter aus Dresden, vierzehn Jahre alt –, und die anderen am Tisch sahen mich an, als wäre ich Martin Luther aus Eisleben und kein kleiner Junge aus dem Osten. Sie beeilten sich, ebenfalls Bier zu bestellen, Hans zog eine Geldbörse aus der Tasche, gab der jungen Frau ein paar Scheine und flüsterte ihr etwas ins Ohr. »Der Abend geht auf mich«, sagte er anschließend und grinste in die Runde.
    Dann, noch vor unseren Getränken, kam der Sommerhit, nicht zum letzten Mal an diesem Abend, und Karen sprang auf, griff nach meiner Hand und zog mich auf die Tanzfläche.Letztlich war es vermutlich mein guter musikalischer Instinkt, der mich rettete. Beim Feder- und Volleyballspiel am Nachmittag hatten wir keine Punkte gezählt, aber wenn wir das getan hätten, wäre meine Bilanz ziemlich mies ausgefallen. Meine eigene Motorik war mir ein Rätsel. Ich hatte zwar eine gute Vorstellung davon, welche Bewegungen ich zu vollführen hätte, um bestimmte Dinge zu tun, aber mein Körper gehorchte nur sehr nachlässig. Ich stolperte gern über mich selbst und hatte nicht das geringste Gefühl für die Dosierung von Kraft, die mir, wie ich ehrlich zugeben muss, außerdem in relevanten Bereichen fehlte. Komplexe Abläufe überforderten mich, es sei denn, es hatte etwas mit Melodien zu tun, und genau das war hier und heute glücklicherweise der Fall. Außerdem war da der schlaksige Tobi.
    Erst zappelte ich, im Bemühen, die anderen um uns nachzuahmen, vor Karen herum, die das mehr und mehr entweder zu belustigen oder abzustoßen schien, während ich spürte, wie meine Schweißdrüsen Pläne übererfüllten. Das ging für eine gute Minute so, und eine Minute kann eine sehr, sehr lange Zeit sein. Währenddessen befand ich mich am Rande nackter Panik, weil ich bemerkte, wie Karen sich langsam von mir wegbewegte. Nicht weit von uns tanzte ein junger Mann, der gut fünf Jahre älter als ich war und Karen interessiert beobachtete. Ich sah zu unserem Tisch, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, und blickte Tobi in die Augen. Als er das mitbekam, hob er die Hände, die Handflächen geöffnet und nach unten zeigend, und dann bewegte er sie und seinen Kopf zaghaft im Rhythmus der Musik. Dabei lächelte er mich optimistisch an. Ich begriff.
    Ich lauschte genauer auf die Musik und darauf, was sie mir zu sagen versuchte, und dann formulierte ich die Antwort. Ich reduzierte das Gezappel und nahm die unkoordinierte Kraft aus meinen Bewegungen, kurz darauf war es so,als würde ich die Noten vor mir sehen, denen ich nun einfach folgte.
    Und so klappte es.
    Es ging bei dieser Art von Tanz nicht darum, etwas zu tun, das dieser Tanz erforderte, sondern darum, sich einfach nur passend und halbwegs synchron zur Musik zu bewegen, wobei die Stärke der Bewegungen keine Rolle spielte. Als ich das begriffen hatte, war ich zwar noch nicht von einem Mutanten auf dem Mond Phobos zum Formationstänzer mutiert, aber für diese Veranstaltung genügte es. Karen sah mich verblüfft an und beobachtete ein paar Sekunden, was ich da tat – und dann tanzten wir.
    Als wir zum Tisch zurückkehrten, klatschten die anderen in die Hände. Ich verstand, dass dabei eine gehörige Portion Ironie mitschwang, doch es machte mir weniger aus als gedacht. Ich griff nach der Flasche Bier, prostete ihnen grinsend zu und trank.
     
    Wir tanzten noch oft in dieser Nacht, Karen und ich, ich tanzte außerdem zwei Mal mit Sabine, während Karen mit Tobi und danach mit Hans zappelte. Aber als Schmusemusik kam, wanderten alle Blicke am Tisch erst zu ihr und dann zu mir. Gegen die Berührungen im Schlauchboot war das, was anschließend geschah, der Geruch einer Straßenpfütze im Herbst verglichen mit dem Duft von Apfelshampoo.
    Um halb eins lag ich auf meiner Matte. Ich hatte tatsächlich nur zwei Bier getrunken, aber in mir trieselte es, kombiniert mit einem Hochgefühl, für das es absolut keinen Vergleich gab. Ich war verliebt, das wusste ich, und zwar in Karen aus Ingolstadt.
    »Psst«, kam plötzlich von draußen. »Schläfst du schon?«, flüsterte eine Mädchenstimme. Auf dem Zeltplatz waren immer noch sehr viele Geräusche zu hören,

Weitere Kostenlose Bücher